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Formularbuch.
XXII. Verübung groben Unfugs, schwerer Hausfriedens-
bruch, Landfriedensbruch, Aufruhr und Auflauf.
65. Verübung groben
Unfugs, schwerer Haus-
friedensbruch, Land-
sfriedensbruch, Aufruhr
und Auflauf; Unter-
schiede zwischen den ein-
jelnen Tatbeständen.
8 360, Ziff. 11, 124, 125,
115, 116, 47 d. Sir. G. B.
Chemnitz, den 9. August 1904.
Heute mittag hatte sich auf noch nicht völlig
aufgeklärte Weise in der Umgegend der Weststraße
das völlig unbegründete Gerücht verbreitet, daß in
einer auf einem dortigen Neubau gelegenen Bau-
kantine der Händlerin Ernestine Valten, hier
Brüderstraße 10, III, zwei Arbeiter an einem Schul-
mädchen ein Sittlichkeitsverbrechen verübt hätten.
Die beiden Arbeiter sind die Maurer
August Steglich,
Kappel, Schulstraße 11, und
Oskar Mann,
Altendorf, Kirchweg 19 wohnhaft,
gewesen. Dem Steglich habe seine 10 Jahre alte
Tochter Elsa Anna Steglich das Essen gebracht
und, wegen einer Ungezogenheit von ihrem Vater zur
Rede gesetzt, ausreißen wollen. Steglich und Mann
haben sie eingeholt und in die Bude hereingezogen,
wo Steglich das lautschreiende Kind durchgehauen hat.
Vorübergehende, welche nicht ausgemittelt werden
konnten, haben diesen Vorgang falsch aufgefaßt, als
wenn an dem schreienden Mädchen ein Sittlichkeits-
verbrechen verübt werde, und eine Menschenansamm-
lung verursacht, welche einen drohenden Charakter
gegen die in der Baukantine befindlichen Arbeiter an-
nehmen wollte.
Obwohl ich nun nach Aufklärung des Sach-
verhalts durch Befragung von Steglich, dessen Tochter
und Manns den Stehenbleibenden das Ergebnis
erklärte und das Publikum zum Weiter= und Aus-
einandergehen aufforderte, machten sich doch drei junge
Burschen offenbar absichtlich den Sachverhalt zu nutze,
um spektakeln zu können.
In denselben wurden später
der stellungslose Markthelfer
Otto Reinhard Gäbel,
geboren am 10. Oktober 1880 in Adorf,
hier Hartmannstraße 16, III,