Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

— 91 — 
so paradox es, ja so blasphemisch es klingen mag — dieses innerhalb des 
gesamten Volkes Platz gegriffene und Platz greifende Drängen von Un— 
fertigkeit im Urteil und von oft falscher Auffassung des Begriffes Freiheit, 
das oft blindlings erfolgende überhasten im Bejubeln des Neuen und ein 
oft planloses überbordwerfen des Alten; die Sucht, die eigene, vielfach von 
den Banden der Zucht losgelöste Person des Individuums in den Vorder— 
grund zu stellen, äußerte ganz unbewußt einen merklichen Einfluß auch auf 
den äußeren, einem Druck sich entgangen wähnenden Menschen, dessen Er— 
scheinung, wie dessen Auftreten. Es hinterließ (und hier schließt der 
circulus non vitiosus wieder zusammen) eine Art von greifbarem Rück— 
schlag in dem „freiheitatmenden“, beliebten weil kunderbunten und kunder— 
bunten weil beliebten, Kleidungsstücke der mutigen Landsknechte, der fahrenden 
Schüler, der reislaufenden Schweizer — der absichtlich zerschlitzten und 
anders wieder zusammengesetzten, weitbauschigen, loddernden „Pluderhose".) 
Auch auf rein militärischem Gebiete gewannen neue Ansichten an Boden 
und brachten neue Gestaltungen. Die einander gegenüber tretenden Streit- 
kräfte wurden größer, aber durch den Impuls größerer Freiheit beweglicher. 
Die Selbständigkeit der Führer, der Kämpfer, wie der Abteilungen, wuchs 
und erstarkte durch verständiges Ineinandergreifen aller einzelnen Teile. 
Die Landsknechtshaufen sind hierfür typisch belehrend. Wenn auch Georg 
von Frundsberg und Schertlin von Burdenbach ebenso wie die Condottieri- 
führer den General von Clausewitz (f 1831) nicht gekannt haben, so haben 
sie doch schon damals nach dessen Ausspruche gehandelt, welcher, der Selb- 
ständigkeit und dem Verstande genügend Spielraum gewährend, ohne sich 
des Vorteiles der Gleichmäßigkeit zu begeben, über jedem Reglement als 
Motto stehen müßte: „Formen binden die lebenden Kräfte; sie fördern die 
Übereinstimmung im Handeln und diese sichert den Erfolg.“ Eine gewisse 
Schulung der Heere, wie deren Einzelteile, die jetzt begannen „Truppen“ 
zu werden, ward unentbehrlich und gewann die Oberhand über rein persön- 
liche Geschicklichkeit und Tapferkeit. Selbst jene berühmten und kriegs- 
65) Daß die berüchtigte Pluderhose ein außerordentlich kostbares Stück sein konnte, 
begreift man, wenn man erfährt, daß mitunter „an die hundert Ellen feinsten Stoffes“ zu 
einem einzigen Exemplar Verwendung gefunden haben. Der Kulturhistoriker Falke be- 
richtet außerdem: „Oft konnte der Landsknecht die reiche Beute eines ganzen Feldzuges in 
seinen Anzug stecken, insbesondere aber alles hergeben und die Goldgulden springen lassen, 
um das Vergnügen zu haben, zu dem Federhut, dem bärtigen Gesicht und dem gesteppten 
Wams mit der flatternden rauschenden Masse Seidenstoffes um die Beine einherstolzieren 
zu können.“ Der vorhin erwähnte Muskulus, der einmal sagt, „es rauschete, wenn die 
Hosenhelden kamen, als wenn der Elbstrom über ein Wehr liefe“, führt an einer anderen 
Stelle „allen, die solches Teufelswerk tragen und sich mit solchen unzüchtigen Teufelshosen 
bekleiden, es seien Landsknechte oder Studiosi, Edele, Hofleut’' oder noch höheren Standes“ 
zu Gemüte, daß sie „nichts anderes seind, denn geschworene und zugetane Gesellen des aus 
dem allerfinstersten Orte der Höllen mit List sich auftuenden und alle Welt würgenden 
Hosenteufels, der das hochteure Wort Gottes verunreinigt, Evangelium und Sakrament 
verunehrt und solche Leut' und ob sie vor Christen gehalten sein wollen, mit solcher Kleidung 
dem unflätigen Teufel ähnlicher macht denn Menschenkindern.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.