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zu sein. Für seine Person nur durch und durch loyal denkend, baute
der Sachsenfürst allzu sehr auch auf die Loyalität, die er bei anderen voraus-
setzte. Besonders zeigte sich dieses Verhalten als ein folgenschweres dem
Kaiser Ferdinand gegenüber, der 1623 Johann Georg wegen Deckung der
von diesem aufgewendeten Kriegskosten unterpfändlich in den Besitz beider
Lausitzen einsetzte (die dann ganz an ihn fielen), dabei auch den bestehenden
Religionszustand als rechtmäßig anerkennend. Doch bald bekam Kursachsen
Gelegenheit, tiefer in Ferdinands Pläne zu sehen. Dabei war unschwer zu
erkennen, daß die Gefahr der Nichtkatholiken — die zu ihrem Unsegen noch
dazu gespalten waren in Lutheraner und Kalvinisten — täglich zunahm.
Des Kaisers über seine Befugnisse schon längst hinausgetretene Macht-
willkür wuchs mit dem Anwachsen der Gewalt seines Feldherren Wallenstein,
der gegen die Reichsgesetze mit dem Lande der abgesetzten Herzöge von
Mecklenburg belehnt wurde. Das Restitutions-Edikt vom 6. März 1629
aber, welches die völlige Zurückgabe aller eingezogenen geistlichen Güter
verlangte, öffnete den Protestanten völlig die Augen. Mitte 1630 war der
Schwedenkönig Gustav Adolf gelandet. Der mit wechselndem Glücke schon
seit zwölf Jahren geführte Krieg nahm einen immer häßlicheren Charakter
an. Teils war es ein Religionskrieg bis aufs Messer, teils stellten
spätere Abmachungen zu Prag und zu Kötzschenbroda die Politik mehr in
den Vordergrund. Jedenfalls konnten die verschiedenen Phasen der Ent-
wickelung auf Johann Georgs Verhalten nicht ohne Einfluß sein. Im Grunde
des Herzens ein die Mißbräuche in der katholischen Kirche erkennender und
verwerfender Lutheraner, dabei dem katholischen Kaiser — allerdings nicht
des Glaubens wegen, sondern als treuer Reichsfürst und Verwandter —
zugetan und alles das hassend, was über Luthers Bestrebungen hinausging,
sah Johann Georg den Schwedenkönig als einen Eindringling nicht ohne
Mißtrauen an. Eben weil er Einmischungen Fremder in deutsche Angelegen-
heiten instinktiv fürchtete und verabscheute, ging der Kurfürst nur zögernd
auf die schwedische Seite.") Auch war diese Schwenkung keine rückhaltlose
und das Bündnis mit Gustav Adolf, welches Sachsen einging, durchaus
nicht so fest, wie es wohl wünschenswert gewesen wäre.
Denn nach des Schwedenkönigs Tode in der Schlacht bei Lützen am
16. November 1632, in welcher wie bekannt, dieser Held sein Leben ließ
und durch welche nicht nur die Sache des Protestantismus überhaupt gerettet
worden ist, sondern besonders das Land Sachsen von den schweren Bedräng-
nissen und Grausamkeiten befreit wurde, mit denen die Wallensteinschen
72) Nicht uninteressant für den damaligen Stand der Anreden und des Begriffes der
einzelnen Titel, deren Wert und dadurch vielfach ihr Unwert jetzt ins Lächerlichste und Un-
glaublichste gestiegen ist, dürfte die Bemerkung sein, daß Kaiser Ferdinand dem Kurfürsten
Johann Georg, um denselben — wie man volkstümlich zu sagen pflegt — beim Guten
zu erhalten, im Jahre 1624 außer der Anwartschaft auf verschiedene Grafschaften, die sich
niemals realisiert hat, den Titel „Durchlaucht“ anstatt des bisherigen „Gnaden“ verlieh und
ihm ein Zeichen besonderen Wohlwollens dadurch gab, daß er ihn anstatt „Euer Liebden“
nun „Deine Liebden“ nannte.