Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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diesem Notstand tauchte jenes Instrument von „Rindsleder“ auf, welches 
gleich bei seinem ersten Auftreten in der Geschichte zu hohen Ehren ge— 
langte — der hohe Stiefel. Schon einmal hatte die Welt Soldatenstiefeln 
gesehen, mit deren Namen ja derjenige des römischen Kaiser Caligula eng 
verbunden ist, den man wegen seiner ausgesuchten Grausamkeit, seines un— 
mäßigen Hochmuts, und des von ihm „erfundenen“ Cäsarenwahnsinns, 
kennt und verabscheut. Aber der Stiefel des „Friedländischen Reiters- 
mannes“ war praktischer. Anfänglich nur ein Ordonnanzstück jenes un- 
bändigen Kriegsknechtes, der stolz von seinem Tiere auf „das Gehudel unter 
ihm“ herabsieht, ging er bald auch aufs Fußvolk über und brachte schließlich 
alles in seinen Bann. Denn da in jener drohenden Zeit, in der es galt, 
gegen die allüberall auftauchenden Feinde ebenso auf der Hut zu sein, wie 
gegen die gleichermaßen brandschatzenden Freunde; wo oft „keine Gegenwehr 
half und keine Flucht, wo keine Ordnung mehr galt und keine Zucht“, sich 
gern ein jeder wenigstens äußerlich ein wehrhaftes und unantastbares Aus- 
sehen zu geben bestrebt war, ging allmählich der große Reiterstiefel mitsamt 
den klirrenden Sporen und dem breiten Sporenleder auch auf die friedliche 
Welt über; und bald spielte er seine Rolle auch in den feinen Pariser Salons. 
Dort, wie auf der Promenade legten sich die umgekrempelten breiten, teils 
rot, teils gelb gefütterten Stulpen, die vom Reiter, wenn er zu Pferde 
saß, als schützende Verlängerung bis übers Knie heraufgezogen wurden, in 
weit abstehende, herunterhängende Falten. 
Es dürfte nicht wohl geleugnet werden können, daß es kaum etwas 
derberes gibt als einen schweren Reiterstiefel. Und doch ließ die — damals 
zuerst als Völkergeißel auftretende — „Mode“ es sich nicht nehmen, die 
Stulpen dieser Stiefel mit duftigen Spitzen auszustaffieren, die wahrhaftig 
weit eher ihren Platz am zarten Busen einer schönen Dame hätten einnehmen 
sollen, als daß sie mit dem dampfenden Leibe eines schnaubenden Kriegs- 
rosses in Berührung kamen. „Das hat mit ihrem Singen“, das hat mit 
ihrer Allgewalt die Mode getan.) Auch finden sich die, gleich den Zöpfen 
„höherer Töchter“" kunstvoll geflochtenen Mähnen der Gäule mit allerhand 
Bändern und Schleifen verziert. 
Wie die linnenen Spitzen, deren Erzeugungskunst, das Klöppeln, gerade 
damals im sächsischen Erzgebirge zum Aufschwung kam (von den Nieder- 
landen dort eingeführt), so brachte jene Zeit, die doch nichts weniger als 
„ledern“ gewesen ist, sondern des Aufregenden, Spannenden und Ab- 
wechselungsreichen beinahe zu viel bot, das „Leder“ in intensive Benutzung. 
Außer Stiefeln und Wams, sind auch die Pistolenhalfter von Leder, die 
s7) Gewissermaßen aus einer Versenkung ist es aufgetaucht, dieses undefinierbare 
Etwas, auf die Schaubühne des menschlichen Treibens. Und dieses letztere wird von Jahr 
zu Jahr mehr von Außerlichkeiten beherrscht und für Außerlichkeiten am Narrenseil gezogen, 
seitdem sie erschienen ist und das Heft in den Händen hat; seitdem sie, die Mode, ihre 
Herrschaft ziemlich international auszuüben sich bestrebt und das geworden ist, was sie 
von Anfang an hat sein und werden wollen: Mode.
	        
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