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Christian tat es, und so viel und so weit er konnte, mit gutem Erfolg.
Ja es wäre, vermöge der klaren und überlegten, oftmals recht sehr schwierigen
Anordnungen der Sparsamkeit und Einschränkung, welche der trotz seiner
körperlichen Gebrechlichkeit geistig ungemein klare, scharf und weit blickende
Kurfürst traf und energisch durchzuführen begann, möglich gewesen, die
Staatsschulden voraussichtlich in den ersten Dezennien des neunzehnten Jahr-
hunderts (rechnungsmäßig vorausgesehen bis 1815) gänzlich zu tilgen, wenn
nicht in letzter Stunde die Napoleonischen Kriege dazwischen getreten wären.
Auch die horrenden Hof= und Kammerschulden begann Friedrich Christian
zu tilgen und machte, indem er sich mit all diesen Reformen eingehend be-
schäftigte, die wenig erfreuliche Entdeckung, daß aus den öffentlichen Kassen
während der letzten zehn Jahre vor seinem Regierungsantritt nicht weniger
als nahezu fünf Millionen Taler auf dem Wege der Unterschlagung ab-
handen gekommen waren. — Ein Beitrag zur Illustration der Moralität
jener üppig schwelgenden, in der Wahl ihrer Mittel nicht ängstlichen
französischen Zeiten, hinter denen nun ein Strich gemacht werden sollte und
gemacht wurde. Mit dem ausgezeichnetsten Beispiele edler Einfachheit ging
der Kurfürst (der sich auch selbst persönliche Einschränkungen auferlegte, die
dem kränklichen Herren um so höher angerechnet werdeu müssen) allen Kreisen
vorbildlich voran, insbesondere denen, die von der Versailler Sitten-
auffassung verführt, sich bemüht hatten, durch Luxus und Verschwendung zu
gefallen und die in Maßlosigkeit ein Zeichen der Vornehmheit anzusehen
gewöhnt worden waren. 104)
Friedrich Christian war bemüht, nicht nur die materiellen Wunden nach
Möglichkeit zu heilen, aus denen das Land blutete, sondern auch den Indi-
viduen und Ständen der Volksgemeinde, an deren Spitze Gottes Gnade
ihn gestellt hatte, zu neuem ethischen Aufschwung zu verhelfen. Trotz oder
bei aller Sparsamkeit schenkte indessen der Kurfürst auch den schönen Künsten
1041) Diese gänzlich undeutsche Anschauung war auch den Kreisen des Bürgertums
und der Beamtenschaft, indem sie dieselbe auch ihrerseits annahmen, verderblich geworden.
Von dem dem Hofe nahestehenden Adel war jener Hauch der Frivolität auf den anderen
Teil dieses Standes übergegangen und von hier aus weitergesickert. Allenthalben lebte
man über die Verhältnisse. Man sieht, wie verderblich diejenigen zu wirken im stande sind,
deren vornehmste Pflicht es ist, anderen mit dem guten Beispiele edeler Gesinnung und
rechter Betätigung derselben voranzugehen. — „Adel“ und „edel“ ist ein Wortstamm, soll
und muß aber auch ein Begriff sein. Nur der Edelmann ist edel, der ein edeler Mann
ist, der sich der hohen Aufgabe seines Standes bewußt bleibt: „Adel verpflichtet.“ Wenn
es auch unbestreitbare Tatsache ist, daß der Adel — als die Korporation der Grund-
gesessenen des Landes und wegen seiner Spezialpflichten gegenüber seinen Hintersassen
noch lange über das Mittelalter hinaus die Personifikation des Agrarwesens im Staate
— hauptsächlich dadurch dem Ruine seiner Familien entgegengehen mußte, daß er allezeit
mit Gut sowohl wie mit Blut in aufopfernder Vasallentreue in erster Linie die Lasten der
Kriege getragen hat, so kann ihm doch der Vorwurf nicht erspart bleiben, daß er — teils
aus eigener Vergnügungssucht, teils in falsch angebrachter und mißverstandener Loyalität
dem Beispiele der Fürsten folgend — den Lockungen französischen Wesens nicht genügenden
Widerstand entgegengesetzt hatte.