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nover, teils zur Unterstützung der armen Einwohner, deren Elend durch die
allgemeine Mißernte des Jahres 1771 ein geradezu namenloses geworden
war. Hervorgegangen wiederum war diese Mißernte, welche Hungersnot
und Krankheit in unmittelbarem Gefolge brachte, durch den voraufgegangenen
furchtbaren Winter und die auf denselben folgenden, das Land verheerenden,
überschwemmungen. Der Tod hatte infolge aller dieser traurigen Erschei—
nungen derartig zahlreiche Opfer gefordert, daß die Einwohnerzahl von
Sachsen um viele Tausende verringert war. Also Not und Elend wo man
nur hin sah. Da kamen jene Gelder und deren hochherzige Verwendung
wie gerufen. Den Rest der Summe benutzte Friedrich August zur Errichtung
einer Sekundogenitur, das heißt der Zuweisung eines bestimmten Vermögens
an den jeweilig zweitgeborenen Sohn des Landesherrn und dessen Linie.
Auch diese letztgenannte Maßregel kommt indirekt dem Lande zu gute, weil der
Staat für diese jüngere Linie des Fürstenhauses nichts weiter zu leisten
braucht, so lange nicht die Anteile ihrer einzelnen Glieder auf ein bestimmtes
Minimum herabgesunken sind. (Gretschel 212.) Die Annäherung Sachsens
an Preußen und das freundschaftliche Verhältnis Friedrich Augusts zu
Friedrich II. zeigte aber besonders nach dem 1780 erfolgten Tode der
Kaiserin Maria Theresia ihre Vorteile. Nun nämlich hatte deren Sohn
Joseph II. gänzlich freie Hand zur Verfolgung seiner oft gar zu stürmischen
Pläne. Und soweit dieselben über den Rahmen seiner innerösterreichischen
Wirksamkeit hinausgingen, auf die aggressive habsburgische Hauspolitik sich
erstreckend, bargen sie vielfach ernste Gefahren für Deutschland in sich. Es
war gut, daß dem gegenüber Friedrich II. als Wächter dastand. Nachdem
derselbe genügende Eroberungen gemacht und seinen Kriegsruhm allenthalben
befestigt hatte (so daß ihm nun um Ruhe und Ordnung in erster Linie zu
tun war), konnte dieser König mit dem Wahlspruche Suum cuique, dem
das bestgeschulte Heer Europas zur Verfügung stand, füglich am besten
geeignet sein, als bewaffneter Aufpasser gegen etwaige Friedensstörungen
aufzutreten. „In der Jugend“, sagt ein Geschichtsschreiber von ihm, „errang
er Lorbeeren und verscherzte sich seine Freunde. Im Alter verzichtete er
auf erstere und gewann letztere.“ Er war ein Gegengewicht gegen manche
undeutschen Pläne Österreichs. Und diese Erwägung war der unausgesprochene
innere Beweggrund des von Friedrich II. 1785, ein Jahr vor seinem Tode,
ins Leben gerufenen Deutschen Fürstenbundes. So groß war aber das
Ansehen Friedrich Augusts von Sachsen, daß es die gesamte Mitwelt be-
ruhigte, dessen Namen unter der Bundesurkunde zu sehen, da er allen die
Gewähr gab, daß nichts Unredliches im Werke sei. (Böttiger III. 416.)
Eine nicht unbedeutende Versuchung trat an diesen sächsischen Kurfürsten,
der übrigens zu zwei verschiedenen Malen das Amt eines Reichsvikars ver-
waltete, 1791 in dem freiwilligen polnischen Antrage heran, die Königskrone
von Polen, und zwar erblich, zu übernehmen. 10)
107) Fürst Czartoryski und Graf Malachowski waren die vom polnischen Reichstage
abgesandten überbringer jenes Antrages. Ein Thron, um welchen sich seit hundert Jahren
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