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trotzdem daß jeder Angehörige des Heeres dieselben Wünsche hegte wie jene
Kameraden, die trotz allem anzuerkennenden deutschen Patriotismus den
Flecken auf sich geladen hatten, die Fahne ihres Herrn verlassen zu haben.
Noch immer ist eben glücklicherweise, um mit Schillers Tyrannen zu
reden, „die Treue kein leerer Wahn“. Und es muß mindestens auf Un-
kenntnis aller soldatischen Gefühle beruhen, wenn diese oder jene Kritiker
es nicht verstehen wollen, wie es möglich gewesen sei, daß die sächsischen
Truppen trotz ihrer enthusiastisch deutschgesinnten Stimmung und trotz ihres
mit jedem Tage schärfer hervortretenden Franzosenhasses nicht viel früher
als in der allerletzten Minute zu den Bekämpfern ihrer Peiniger übergetreten
sind. — Ja, meine Herren, vor deren Gelehrsamkeit ich die allergrößte Hoch-
achtung empfinde: Diese ehrliebenden Soldaten und treuen Untertanen waren
des Fahneneides noch nicht entbunden, den sie ihrem königlichen Kriegs-
herrn geschworen hatten. Wie hart ihr innerer Kampf gewesen ist und wie
schwer der Druck einer glücklicherweise selten vorkommenden Kollision der
Pflichten auf ihren Gemütern lastete, als schließlich doch noch jener übergang
vollzogen wurde, das geht aus den beklommenen und die Situation erklärenden
Worten hervor, welche beizufügen ein jeder von denen für nötig gefunden
hat, die als Augenzeugen oder Zeitgenossen über diese Episode berichten.
Außerdem sagt General von Funk in seinen hinterlassenen Papieren, welche
1829 veröffentlicht worden sind: „Die Sachsen verließen Napoleons Fahnen
nicht, um sich von einem geliebten Landesherrn zu trennen, sondern in der
festen Meinung, durch ihren Übertritt ihm und dem Vaterlande die Freiheit
und die Freundschaft der Verbündeten zu erkaufen.“ Der aus dem General-
stabe heraus schreibende Major von Cerrini aber berichtet auf Seite 325
seines Feldzugwerkes folgendes: „Die in der Linie der Verbündeten an-
kommenden Sachsen wurden mit Herzlichkeit, mit dem Feuer der Begeisterung
als gleichgesinnte Brüder begrüßt, und die drei Monarchen, denen sich auf
ihr Verlangen die sächsischen Kommandeure vorstellten, dankten einstimmig
für diesen Beweis teutscher Gesinnung und versicherten, die sächsischen
Truppen hätten dadurch ihr Vaterland gerettet, dessen Integrität nun un-
angetastet bleiben solle.“
Die Bemühungen der Mächte, Napoleon zu einem angemessenen
Friedensabschluß zu bewegen, waren an der Unersättlichkeit des „Welt-
eroberers“ gescheitert, der trotz der in Rußland gemachten Erfahrungen
seine Riesenpläne nicht aufgegeben hatte. Aber der Stern des „Cäsar"
war im Verbleichen. Und sehr wohl kann das Zurückweichen des wider-
willig aufbäumenden Schimmels, der bei dem verhängnisvollen Übergange
über den Nyemen den Bezwinger von Millionen Menschen in den Ufer-
sand geworfen hatte, als an die Drohungen der weisen Frau mahnend be-
trachtet werden, die einst dem Drusus den Elbübergang wehrte Die zwei-
tägige mörderische Schlacht bei Dresden, am 26. und 27. August 1813,
gewährte der Feldherrenkunst Napoleons den letzten großen Sieg auf
deutschem Boden; die dreitägige Völkerschlacht bei Leipzig am 16., 17. und