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werden möchte, welcher objektive Schriftsteller in seiner 1827 erschienenen
„Sächsischen Geschichte“ sagt: „Das sächsische Militär ist reich an hoch-
gebildeten Offizieren, unter denen sich viele als Schriftsteller ausgezeichnet
haben. Auch ist der Offiziersstand in Sachsen nie bloß eine Versorgung für
den Adel gewesen.“ Die Armee, welche dem Kaiser Napoleon eine Kraft-
zuwendung von rund 31 000 Mann gegeben hatte, wurde entsprechend re-
duziert und nach der Bundesverfassung, nach welcher auf hundert Seelen
der Bevölkerung der deutschen Staaten ein Mann zum Bundesheer gestellt
werden sollte, auf rund 13 000 Mann gebracht. 112)
Zu den inneren Regierungsmaßregeln des ersten Königs von Sachsen
gehören u. a. die Errichtung der Heilanstalt für Gemütskranke auf dem
Sonnenstein und der Forstakademie zu Tharandt sowie die Reorganisation
der Bergakademie zu Freiberg. Alle diese Anstalten erhielten sehr bald
einen Weltruf. Außer der prinzipiellen Gleichstellung der christlichen Kon-
fessionen waren kurz vor des Königs Tode die Verhältnisse der Katholiken
durch ein besonderes Mandat geregelt worden. Auf evangelischer Seite
war — als eine Begleiterscheinung des für alles Glaubensleben so ver-
hängnisvollen Rationalismus, dem in Dresden fast die gesamte Geistlichkeit
huldigte — an Stelle der alten Agende Herzog Heinrichs vom Jahre 1539
eine neue, dem Geiste jener von dem lebendigen Christentum entfremdenden
Richtung, entsprechend angenommen worden. 113) Das Lehrerseminar in
112, Ein neues Militärstrafgesetzbuch führte 1817 die Bildung einer ersten Klasse
unter den Soldaten ein, d. h. eine Zusammenfassung der durch musterhaftes Betragen sich
auszeichnenden Mannschaften. Für diese wurde die körperliche Züchtigung aufgehoben.
Und da überhaupt angestrebt werden sollte, die körperlichen Schläge in moralische
zu verwandeln, ward eine Militärstrafanstalt ins Leben gerufen.
113) Hierbei möge erwähnt werden, daß das äußere kirchliche Leben ziemlich lange
sich in den alten überlieferten Formen erhalten hatte und z. B. die dem Volke beziehungs-
weise den Gemeinden als ein sichtbares Zeichen irdischer Verehrung des überirdischen ge-
wissermaßen ans Herz gewachsenen Galatrachten, beziehentlich bunten stattlichen Meß-
gewänder der für gewöhnlich im einfachen schwarzen Talar amtierenden Geistlichen beim
Austeilen des heiligen Abendmahles noch bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts in Be-
nutzung waren. (Aus dem Inventar der Kreuzkirche zu Dresden verschwinden dieselben im
Jahre 1799.) In Bezug auf das damals beliebte, gewissermaßen geschäftsmäßige, seines
hohen, hehren Inhaltes entleerte Christentum, wie es die geistige Krankheit jener Zeit, der
Rationalismus, predigte, sagt Pfarrer Flade in einem geschichtlichen Vortrage: „Das Volk
freilich fühlte den inneren Mangel des Geistes, der ihm Vernunft für Glauben bot und
suchte diesen Mangel durch eine gewisse rührsame Gefühlsseligkeit zu ersetzen.“ Auch die
großen protestantischen Jubelfeiern (1817, 1830 usw.) schwelgten in solchen Gefühlen.
Eigentümlicherweise war einerseits das Sonderbewußtsein des Protestantismus (z. B. auch
dadurch, daß seit 1823 das Reformationsfest als ganzer Feiertag anerkannt war und daß,
wie die Geschichtsschreiber sagen, „die Jubelfeier der Augsburger Konfession einen flammenden
Protest gegen Rom darstellte“), geschürt und gewachsen, während anderseits gewissermaßen
in der Praxis des Lebens der Gegensatz zwischen den Konfessionen erfreulicherweise zurück-
trat und — um nur von jeder Seite ein Beispiel anzuführen, der apostolische Vikar
Schneider unter seinen Zuhörern stets eine große Anzahl Lutheraner hatte, der Oberhof-
prediger von Ammon aber im allgemeinen eine große Versöhnlichkeit gegen die Katholiken
an den Tag legte.