Full text: Der Fürstenzug auf dem Sgraffito-Fries am Königl. Schlosse zu Dresden.

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räter an der Menschenwürde und als Barbar gegenüber den guten Sitten 
allgemeiner Verachtung anheimgefallen. 1 
Bei weitem mehr noch als die Allongeperücke bedurfte die gepuderte 
„Stutzfrisur", sei es von künstlichen, sei es von eigenen Haaren zurecht 
gestutzt, mit ihren „Taubenflügeln“ und „Vergetten“, d. h. den sanft ge- 
kräuselten Haarwellen an den Schläfen, vorsichtigster Schonung. 
Der Hut, der bereits bei dem zuerst aufgekommenen Haargebäude 
welches den Kopf bedeckte, als Kopfbedeckung logischerweise überflüssig 
erschienen hatte und mehr zum Staat aufgesetzt worden war, wurde von 
„feinen“ Herren nun ganz in der Hand gehalten, um den Haarputz nicht 
zu „troublieren“. 
Den großen breitrandigen Schlapphut des dreißigjährigen Krieges 
hatte man, teils um ihm ein keckeres Aussehen zu geben, teils um hand- 
licher zu sein, schon zu den Zeiten des Beginnes der Löwenmähne eine 
Krempe umgeschlagen. Dieser einen Seite der Krempe war dann die andere 
gefolgt, auch hatte der Hut selbst an Größe bedeutend abgenommen. Nun 
bog man auch die dritte Seite um und der klein und zierlich gewordene 
Hut — mit um den Mittelpunkt herumgelegten Federwerk (plumage) 
anstatt der früher lang herabwallenden Einzelfeder, begleitete die Häupter 
mehr zur Zierde als daß er dieselben bekleidete. Immerhin aber war 
dieser Hut doch mitunter als Hut benutzt und aufgesetzt worden. Die 
neue Frisur des achtzehnten Jahrhunderts verlangte indessen, wie schon 
kurz erwähnt, die subtilste Schonung, damit nicht der Schmetterlingsstaub 
des Puders verwischt oder gar die zarte Vergette gedrückt werde. Auf- 
gesetzt konnte mithin der Hut nicht werden, ohne in die schwierigsten Kon- 
flikte mit der Unverletzlichkeit des toupées zu geraten, die zwar dem 
Offizier und Soldaten weniger, dem Hofmann aber um so mehr als heilig 
galt. Da die eine Hand des jungen wie des alten „Elegants“ den un- 
entbehrlich gewordenen Stock aus dickem spanischen Rohr mit obligatem 
Gold= oder feinem Porzellan-Knauf führte, die andere aber jederzeit frei 
sein mußte, um den Geboten der Galanterie folgend, die Fingerspitzen 
einer Dame, wenn einer solchen begegnet wurde, zart zu berühren, so wurde 
der Hut unterm Arme getragen. Damit dies nach Möglichkeit so bewerk- 
stelligt werden konnte, daß auch der Hut seinerseits nicht Gefahr laufen 
brauchte, zerdrückt zu werden, ließ man die Aufbiegung der einen Krempe 
wieder weg und machte ihn zweiseitig. So drückte er sich flach zusammen. 
u9 In der Tat liegt gar kein geringer Teil des Geheimnisses des Erfolgs — wie 
hier im kleinen, so anderswo im großen Maßstabe — in der Fähigkeit und gewissermaßen 
Rücksichtslosigkeit, sich über Schranken hinwegzusetzen, die moralisch durchaus nicht solche 
sind, sondern nur von der Pedanterie der Menschen und in der Einbildung derselben zeit- 
weise mit einem Scheine von Wichtigkeit und Unverletzlichkeit umgeben werden. Man denke 
als Beispiel nur an das katzenartige Vorspringen der in Plänklerketten und Tirailleurlinien 
aufgelösten republikanisch-laiserlichen voltigeurs Napoleons gegenüber den abgemessenen 
Schritten ihrer in Kolonnen vorgehenden Gegner, welche sich nicht sobald von dem Marsch- 
tempo emanzipieren konnten, welches bei Torgau üblich gewesen war.
	        
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