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(der Provinzialzugehörigkeit seines Trägers entsprechend) selbst schon ver—
schieden war. Die Exaktheit im Gebrauche der Hand-Feuerwaffen, und
demgemäß eine möglichst intensive gleichmäßige Ausbildung mit denselben,
war um diese Zeit zu einer sich stetig steigernden Anforderung geworden.
Um aber die Gewehre und deren Mechanismen geschickt handhaben zu
können, die sich zu Flinten entwickelten, als das Steinschloß aufkam,!!)
mußte dafür gesorgt werden, daß das Feingefühl der Hände mehr noch
als sonst gebrauchsfähig bleibe. Aus dieser — von der unerbittlichen
Praxis diktierten — Rücksicht wurden, um die Möglichkeit zu haben, die
Hände beispielsweise vor Frost zu schützen, die Ärmel so lang gemacht, daß
man dieselben für gewöhnlich nicht anders als umgeschlagen oder auf-
geschlagen tragen konnte. Hierdurch ist der Ärmelaufschlag entstanden.
Nachdem nun der Bauernrock mit seinen notwendig gewordenen Mo—
difikationen als Grundtypus der Uniform eingeführt war und mithin auch
von den Offizieren getragen werden mußte, stand man vor der Notwendig-
keit, ihm eine gewisse Eleganz zu verleihen, aus dem einfachen Grunde,
weil die Offiziere den Hofkreisen angehörten. Diese Kavaliere ihrerseits
wollten ihr reich gesticktes, meist enganliegendes, aus dem Koller ent-
standenes Wams — an dessen Halsausschnitt jetzt Halstuch und Spitzen=
jabot um den Vorrang stritten — nicht ohne weiteres aufgeben. So zogen
sie den langen (der altklassischen Tunika nicht unähnlichen) Rock über das-
selbe, ihm hierdurch vorübergehend den Charakter eines Mantels verleihend.
Aus jenem Unterwams entstand allmählich die Weste, die in ihren An-
fangsstadien eine verhältnismäßig bedeutende Länge und immer noch das
Aussehen eines selbständigen Oberkleides hatte. Sehr spät erst wurde sie
kurz und erhielt den Stempel ihrer Degradierung dadurch, daß zu ihrem
Rückenteil (weil derselbe nun definitiv unsichtbar geworden war) minder-
wertiger Stoff genommen ward. Zur standesgemäßen Ausputzung des vom
feldmäßigen Soldatenrock zum salonfähigen Offiziersanzug avancierten Klei-
dungsstückes — des Rockes — taten Verschnürungen und Verzierungen
das ihrige und — in kluger Berechnung wie genauer Kenntnis aller ein-
schlagenden Verhältnisse — war die Staatsrobe fertig geworden.
Der Kulturhistoriker Falke nennt mit sehr großem Rechte diese, mit
allem Pomp und allen Finessen aufs reichste und schönste ausstaffierte
Robe Ludwigs XIV.: „ein Prunkstück sondergleichen und doch bemit-
leidenswert armselig im Vergleich zu der alten breiten und doch so stolzen
Pelzschaube der Reformationsperiode“. Eine Art Rückwirkung wiederum der
Staatsrobe auf Bürger= wie Soldatenrock wurde Justaucorps genannt.
Derselbe gewann wesentlich an Taille und legte seinen Schwerpunkt außer
auf die „fast“ übertrieben reiche Stickerei, in die Patten und ungeheuerlich
angewachsenen Aufschläge. Aus letzteren heraus lugte, wie ein Seiden-
119) Um die Mitte des 17. Jahrhunderts war das Steinschloß mit seiner Batterie er-
funden worden und begann die älteren Systeme des Rad= und Schnappschlosses zu verdrängen.