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pintscherchen aus der Hütte eines großen Kettenhundes, die vielfach mit
Ringen besteckte Hand. Weite faltige Spitzen-Manschetten trugen das
ihrige dazu bei, die Hand recht klein und zierlich erscheinen zu lassen,
welche den alten guten Charakter der „biederen Rechten“ nur allzu häufig
als etwas Überwundenes abgestreift hatte. Zwischen den Fingern begann
man die Tabatière zu führen, und der immer zierlicher werdende Stock
von glattem Bambusrohr mit goldenem Knaufe oder kostbarem Porzellan=
griff hing an einer seidenen Quastenschnur von ihnen herunter. Auf den
Galaroben erschienen nun nach und nach und zwar zumeist in hervor-
ragend künstlerischer Weise, nicht ohne Benutzung von Brillanten und
sonstigem Edelgestein, die Ordensinsignien eingestickt, welche ethisch wie
materiell gleich wertvoll, teils durch Gunst verliehen, teils durch Verdienst
erworben wurden, vielfach aber auch nur ein Zeichen äußerlicher Art dafür
waren, daß in den Adern des betreffenden „Funkelnden und Strahlenden“
fürstliches Blut rolle. Als dergleichen Orden sind hauptsächlich außer dem
englischen Hosenbandorden und dem burgundisch-habsburgischen vom Golde-
nen Vließ anzuführen: der französische Orden vom Heiligen Geist, der
dänische Elefantenorden und der polnische Weiße Adlerorden.120)
Wie von Frankreich ausgehend der lange und weite Soldatenrock
durch allerhand Verzierungen sowie Anderungen im Schnitt zum Hof= und
Staatskleide der männlichen Welt erhoben worden war, so machte sich im
Norden von Deutschland eine Strömung geltend, welcher es in den letzten
Folgerungen ihrer Konsequenzen gelungen ist, dem aus den praktischen
Bedürfnissen der berittenen Truppen heraus entstandenen — Frack eine
Siegeslaufbahn zu eröffnen, die (leider) noch heute nicht zum endgültigen
Abschluß gekommen ist. „Leider“, denn der „Frack“, in Wahrheit das
„Vrack“ eines Rockes, ist tatsächlich mit der Zeit zu einem Angstgestell
herabgesunken. 121) Beim Dienst zu Pferde hatte von Anbeginn der Ein-
führung des militarisierten Bauernrockes an, die Länge desselben erheblich
gestört. Erst heimlich und unerlaubt, dann öffentlich und durch Reglement
geordnet, waren die Schöße dadurch unschädlich gemacht worden (und das
Hindern derselben beim Reiten in Wegfall gekommen), daß man sie nach
außen umklappte und mit Haken oder Knuöpfen befestigte. Bei anders-
farbigem Unterfutter tat dieses Umschlagen auch fürs Auge eine gute
Wirkung und, mit der Farbe des Armelaufschlages in Einklang gebracht,
bildeten die solchergestalt umgeschlagenen Schöße eine willkommene Be-
120) Der Kostspieligkeit wegen und wohl auch infolge der mit der Zeit stark überhand-
nehmenden Ordensverleihungen hat diese Art der Kunststickerei, d. h. das Einsticken von
Ordensinsignien auf Rock oder Frack allmählich mehr und mehr abgenommen. Heutigen
Tages erinnert außer den Investiturmänteln der hohen Verdienstorden (Schwarze Adler u. s. w.)
wohl nur noch das Anheften des Linnenkreuzes der Johanniter an diese innige Vebindung
der Dekoration mit dem durch sie zur Ordenstracht erhobenen Kostüm.
121) Jähns leitet ihn ab von dem englischen „frock“, was ursprünglich einen Stall-
kittel bedeute.