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sind, in einer Weise Rechnung tragen wird, daß aus ihnen Segen für
das Land und Volk erblüht.“
Zweimal war diesem Wettiner, bevor derselbe den sächsischen Thron
bestieg, die Königskrone von Griechenland angeboten worden. Daß Prinz
Johann diese Krone, die Krone eines Landes, mit dessen Geschichte und
Sprache er vermöge seiner gelehrten Forschungen vertrauter war als andere,
zweimal abgeschlagen hat, um seine Dienste seinem eigenen Vaterlande ganz
zu widmen — auf dessen Thronfolge er als drittgeborener Sohn des
Bruders eines Königs, damals (1829) menschlicher Berechnung nach durch-
aus keine Aussicht hatte —, muß demselben hoch angerechnet werden. Um
so höher ist diese Selbstbescheidung und dieses aufopfernde Pflicht= und
Vaterlandsgefühl anzuschlagen, als gerade einem so hoch begabten Fürsten-
sohne gegenüber das Anerbieten, eine Königskrone tragen und sich als
Herrscher bewähren zu sollen, ohne jeden Zweifel ein überaus verlockendes
sein dürfte. Prinz Johann war Sachsen erhalten geblieben, und welcher
Segen König Johann unserem Vaterlande geworden ist, das steht in un-
auslöschlichen Lettern eingegraben auf den Tafeln der Geschichte. Ein
Philolog, Jurist und Archäolog allererster Ordnung — dessen mit kindlicher
Bescheidenheit verbundene Seelengröße und Geisteshoheit in der ganzen
Welt anerkannt und bewundert wurde —, beschäftigte sich dieser (man
möchte sagen) Professor auf dem Throne auch eingehend mit Agrikultur-
Chemie, da er große Neigung zur Landwirtschaft hatte. Die Acker und
Felder von Pillnitz sowie die stets Vortreffliches bergenden Stallungen
dieses Landg#tes, welches während der Sommermonate regelmäßig das
königliche Hoflager umschließt, gaben 180) beredtes Zeugnis von der Für-
sorge und Teilnahme des gekrönten Gutsherrn an den kleinsten Details
der ländlichen Arbeiten und deren Segnungen.
In der dortigen frischen Natur, auf den Rebenhügeln des Elbgeländes
wie in den waldigen Felsenschluchten der Sächsischen Schweizts!) fand König
Johann erwünschte Erholung von seiner angestrengten Tätigkeit, die er
zwischen Staatsgeschäften, gelehrten Forschungen und wissenschaftlichen
Arbeiten teilte.
130) Nicht allen Besuchern dieses überaus reizenden Idylls wird es bekannt sein, daß
auch dieses Fleckchen Erde eine wechselreiche Geschichte hat. Wie schon im frühen Mittel-
alter die feste Burg Pillnitz vom Speerklingen und Sporenrasseln der Ritter von Bünan
widerhallte, in deren Besitz sich jener ganze Landstrich an der Elbe befand, so erklang hier
am Ende des 17. Jahrhunderts das heitere Lachen der Gräfin von Rochlitz, welcher Johann
Georg IV. das von ihm erkaufte und umgebaute Schloß zum Aufenthalte angewiesen hatte.
Nur kurze Zeit später mögen die verschnittenen Hecken des dortigen Gartens gar manchen
berechtigten Seufzer der schönen Gräfin Cosel in sich aufgenommen haben. Die schwülen
Augusttage 1791 aber sahen in Kaiser Leopold, König Friedrich Wilhelm II. und Graf
Artois hohen Besuch in den restaurierten Räumen, welche man gewissermaßen als Geburts-
stätte der ersten Koalition gegen Frankreich bezeichnen kann
131) Das unter dem Namen Sächsische Schweiz weitbekannte Elbsandsteingebirge ist
in früheren Zeiten eine unwegsame Wildnis gewesen Erst Mitte des 18. Jahrhunderts