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der genannte preußische Heerführer (Kommandierender der großen Elb—
Armee) die Offiziere seines Stabes um sich und redete sie mit folgenden
Worten an: „Sehen Sie sich den Rückzug der Sachsen an, meine Herren.
Ein geordneterer Rückzug wie dieser ist undenkbar. Er ist das Bild des
mustergültigen Rückzuges einer mit Ehren unterlegenen Truppe. Den wird
die Kriegsgeschichte für immer als Beispiel aufstellen.“3.)
Das preußische Generalstabswerk aber schreibt: „Während der allge-
meinen Verwirrung und Auflösung, welche bei der kaiserlichen Armee in
wilde Flucht ausartete, bewahrte die sächsische Armee ihre Haltung und
Ordnung.“ — Nichts begreiflicher, aber auch nichts Rühmlicheres für beide
Seiten, als daß Männer wie Moltke „danach lechzten“, die so erprobten
Sachsen und ihren genialen Führer zu den Ihren rechnen zu können und
mit ihnen rechnen zu dürfen, da sie dann auf sie rechnen konnten.
Der Friede war zu Nikolsburg geschlossen; der Norddeutsche Bund
ins Leben gerufen. Sachsen hatte den im Grunde genommen immer und
allezeit — nur allerdings auf einem anderen Wege gesuchten — Anschluß
an ein starkes Deutschland, an ein starkes Deutsches Reich als nationales
Staatswesen gefunden. König Johann schloß sich mit treuem Herzen an
und Kronprinz Alberts, des sächsischen Heerführers Streben war nun vor
allem mit Ernst und Eifer darauf gerichtet, das Verhältnis Sachsens auch
in militärischer Beziehung zu dem neuen Bundesstaat entsprechend um-
und auszubilden, die sächsische Armee als XII. Armeekorps des nord-
deutschen Bundesheeres, den Vereinbarungen der Militär-Konvention gemäß,
nach preußischem Muster zu reorganisieren. Seiner sowie seines erlauchten
Bruders des Prinzen Georg und der hingebendsten, anstrengendsten und
opferfreudigsten Tätigkeit aller Offiziere, Mannschaften und Beamten des
sächsischen Heeres gelang es, wie schon an anderer Stelle hervorgehoben,
noch vor Ablauf des hierzu in Aussicht genommenen einen Jahres diese
Herkulesarbeit zu bewältigen und zwar zur vollsten Zufriedenheit des
Bundesfeldherrn und dessen inspizierenden Generalen. Drei Jahre darauf
ward dieses Lob völliger Kriegsbereitschaft, welches aus dem Munde des
greisen Königs Wilhelm von Preußen erklungen war, auf den Schlacht-
feldern Frankreichs durch das von Preußen und Sachsen gemeinsam ver-
gossene Herzblut besiegelt. Im Feuer dieses nationalen Krieges verschmolz
alles das in eins, was unausgesprochen und innerlich wohl schon lange
zusammengehört hatte, nun aber durch Blut und Eisen auch äußerlich
und aller Welt sichtbar eine Gemeinschaft bildete. Es traf das ein, was
Prinz Albert als 21 jähriger Jüngling in Schleswig-Holstein, was so
137) Dieser Ausspruch des kommandierenden Generals (nachmaligen Generalfeld-
marschalls) Herwarth von Bittenfeld bei Beobachtung des im preußischen Geschützfeuer er-
folgenden Rückzuges der sächsischen Armee auf Problus am 3. Juli 1866 ist mitgeteilt
von Seiner Exzellenz dem Kgl. preußischen Generalleutnant z. D. von Niesewand, welcher
seinerzeit als Rittmeister und Ordonnanzoffizier persönlicher Zeuge dieses für immer be-
achtenswerten Vorganges gewesen ist.