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die gurrenden Täublein, die hausschützenden Schwalben wie die vereinzelten
Finken und das Heer der frechen Sperlinge samt den vom nahen Turme
herunterflatternden krächzenden Dohlen haben sich einen anderen Platz zu
ihren Zwecken aussuchen müssen. Aber weder diese Einbuße an überschuß
von Poesie, noch das durch Anbringung elektrischer Bogenlampen stark hervor—
tretende Motiv der raschlebigen Neuzeit sind ernstlich im stande, jenem Orte
den Nimbus des Märchenhaften ganz zu nehmen. Und wenn der königliche
Weidmann, Albert, der vielgeliebte Monarch — heimkehrend von den luftigen
Höhen der, Rehwild und stattliche Hirsche, Birkhahn und Auerhahn bergenden
sächsischen Schweiz, aus dem Dunkel der Forsten, in denen noch immer
Eber, Sauen und Füchse hausen, wie von den heiterlachenden an Hühnern
wie Fasanen reichen Fluren seines Jagdgebietes — unter Hörnerschall durch
das „Jagdtor“ einfuhr und unseres jetzigen Königs Georg Majestät, auch in
dieser Hinsicht seinem teuren verewigten königlichen Bruder gleich, dies noch
jetzt tut, um die auf den Steinplatten jenes Hofes ausgebreitet liegende
„Strecke“ zu besichtigen; wenn greller Fackelschein, die grünen Röcke der
Jägerei streifend und an den „Brüchen“ der vornehmen Gäste, an Buchen—
wie Eichenblatt, Tannen- wie Fichtenreis hin und her hüpfend, tiefdunkle
Schlagschatten geheimnisvoll hervorbringt, der „ausgehauene“ Rittersmann
aber (gewissermaßen als steinerner Gast) vom Gemäuer des ehemaligen Reit—
saales stumm von seiner Höhe herunterblickt, und die Nachtluft Wiehern und
Stampfen hinüberträgt — dann kommt es wie ein Traum von vergangenen
Zeiten, die voll gewesen sind an Pracht und Herrlichkeit, an Trauer und
Wehmut, voll aber auch bei Leid und Freud an Treue von Fürst und
Mann, über Schloß und Hof.
Ja, gewiß. Könnten die Steine reden, Eisen und Kupfer den Mund
öffnen, die Blätter des Eppich flüsternd dem Winde und den Menschen an—
vertrauen, was ihnen ihre Eltern und Voreltern zugeraunt haben, so würde
man gerade an diesem Orte gar manches zu hören bekommen, was mit der
Absicht nachstehender Darlegungen in innerster Wechselbeziehung steht.
Wie der Name Stechbahn und Stechhof besagt, wurden hier ehemals
die am herzoglichen, später kurfürstlichen Hofe zur Schau gelangenden Turniere
und ritterlichen übungen, Ringstechen und Karussellreiten, abgehalten. Dar-
stellungen von Turnierscenen befinden sich unter der bildnerischen Aus-
schmückung, mit welcher die im Obergeschoß des ehemaligen „langen Ganges“
untergebrachte Gewehrgalerie ausgestattet ist. An den beiden, mit kunst-
reichen Reliefs kriegerischer Embleme meisterhaft verzierten Bronzesäulen
aber, welche 1588 in diesem Hofe aufgestellt wurden, sind noch heute die
Vorrichtungen zu erkennen, an denen die eisernen Arme angebracht werden
konnten, welche die hängenden Ringlein hielten. Auch Tierkämpfe ver-
schiedener Art fanden innerhalb dieses, hierzu vortrefflich geeigneten, zwinger-
artigen Ortes statt, von dessen Innengalerien aus Damen und Herren den
Vorgängen zuschauten. An demjenigen Stücke der nach der alten Schloß-
kanzlei gelegenen Mauer, welches ein Teil der ältesten Stadtmauer Dresdens