— 192 —
mancher ergraute Mann vor ihm und nach ihm ersehnt, was Dichter und
Sänger erhofft, was die Volksseele ersehnt hatte. Das einheitliche und
förderative Deutsche Reich trägt das ideale Motto an der Stirn: „Eins
nach außen — schwertgewaltig —. Doch im Innern vielgestaltig.“ So
muß es immerdar bleiben. Einer der wertvollsten tatkräftigsten Vorkämpfer
der deutschen Reichsidee nach innen wie nach außen war Albert von Sachsen.
Was derselbe getan und geleistet, der als einer der glänzendsten, kriegs—
gewandtesten Ritter die Tafelrunde erst des Königs, dann des Kaisers
Weißbart zierte und den Franzosen in erster, der ganzen Welt in zweiter
Linie zeigte, was deutsche Kraft in deutscher Einigkeit, bei deutscher
Gründlichkeit und Geschicklichkeit zu leisten vermag, der als „Schildhalter
des Reiches“ mit starkem Arm und hellem Geiste dieses Ehrenamtes
waltete, in welches der wahrsprechende Volksmund ihn eingesetzt hat, dessen
Feldherrngröße mit jedem Tage wuchs und freudige, neidlose Anerkennung
fand allenthalben — das steht fest eingeprägt in den Herzen aller Deutschen.
Aus demselben Felde der Ehre, auf welchem die todesmutigen preußischen
Garden in geradezu antik-heroischer Heldenhaftigkeit sich beinahe verblutet
hätten, wuchsen auch ihren sächsischen Brüdern, wuchsen den sächsischen
Truppen neue Lorbeeren zu ihren alten, stieg das Feldherrngenie des Kron—
prinzen Albert zu immer gewaltigerer Größe. Und wie der ebenso geist—
als kenntnisreiche preußische Militärschriftsteller Hoenig 135) ausdrücklich be-
tont, müssen die Anordnungen des sächsischen Kronprinzen bei Nouart und
diejenigen, welche die Schlacht bei Beaumont herbeiführten, den besten
Feldherrnhandlungen Napoleons I. an die Seite gestellt werden
Zwei Tage nach der Schlacht von St. Privat ward Kronprinz Albert
an die Spitze der neu geschaffenen IV. Armee gestellt, welche aus dem
preußischen Gardekorps, dem preußischen 4. und dem sächsischen 12. Armee-
korps sowie vier Kavalleriedivisionen bestand und nach ihrer Haupt-
Operationsbasis, der Maas, den Namen Maas-Armee erhielt.
Zum ersten Male in der Weltgeschichte waren somit einem sächsischen
Prinzen preußische Truppen zur Führung anvertraut. Auch diese Tatsache
war eine Etappe mehr auf dem Wege zur deutschen Einigkeit; und wieder
war es die hell leuchtende Gestalt des Kronprinzen Albert in dessen Eigen-
schaft als gottbegnadeter Heerführer, welche als Werkzeug diente. In
seinem echt soldatischen, anspruchslos einfachen, doch dabei ehrfurchterweckenden
Wesen lag trotz ruhigen Ernstes von jeher etwas Bestrickendes, welches
machte, daß die Armee vom General bis zum Tambour mit Liebe und
unbegrenztem Vertrauen zu ihm erfüllt war. Die Preußen empfanden dies
138) Jener vielerfahrene, vor allem aber auch wegen seiner strengen Wahrheitsliebe
bekannte ehemalige Hauptmann Fritz Hoenig, welcher viel zu früh vom Tode ereilt wurde,
erhielt bei seiner Bestattung am 16. März 1902 durch den amtierenden Geistlichen ein be-
sonders schönes Ehrendenkmal dadurch errichtet, daß er als ein Wahrheitskämpfer im Sinne
des Apostel Paulus geschildert wurde, dessen Ausspruch befolgend: „Ich vermag nichts
gegen die Wahrheit, aber alles für die Wahrheit.“