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Wohl uns Sachsen, daß unser König von ganz derselben Überzeugung
durchdrungen ist. Dabei ist König Georg nicht nur Soldat, Feldherr und
Staatsmann, auch Künste und Wissenschaften sind ihm vertraute Genossen.
Diejenigen Herren und Damen, denen es vergönnt war den wohltönenden
Gesang und das meisterhafte Klavierspiel 2) des bisherigen Prinzen Georg
anhören zu dürfen, haben sich stets mit Begeisterung und Entzücken geäußert,
nicht nur weil ihnen ein hoher künstlerischer Genuß geboten wurde, sondern
auch weil ihnen das Herz warm geworden war. Das Interesse König
Georgs für alle Wissenschaft ist ein hervorragendes, besonders hat die
Pflege der Landesgeschichte einen Förderer an ihm. Die Liebe zur Kunst
hatte ihn von früher Jugend an weite Reisen unternehmen lassen.
Auf einer solchen Reise kam Prinz Georg im Jahre 1858 nach
Lissabon, wo er sich mit der jugendschönen Infantin Donna Maria Anna,
der Schwester des Königs von Portugal, verlobte. Ein Jahr darauf führte
„Prinz Sonnenschein“, wie die sympathische Erscheinung des jugendlichen
Fürstensohnes im Lande genannt wurde, seine Braut als Gemahlin heim.
Wenige Wochen vor der Feier der silbernen Hochzeit ward ihm die
teure Lebensgefährtin durch den Tod entrissen; ein überaus harter Schlag
für den treuen Gatten und Vater, dessen so sehr glückliche Ehe stets als
ein musterhaftes Vorbild innigen deutschen Familienlebens weithin strahlend
in die Lande geleuchtet hat. — Auch hierin können Fürsten ihren Völkern
zum Segen werden. „Beispiele sind Riesen.“
Der durch einen schweren Typhus am 5. Februar 1884 erfolgte Tod
der edlen Prinzessin, der Südländerin, die in den Herzen der Nordländer
sich einen dauernden Platz erobert hatte und ihnen galt, als sei sie durch
Geburt eine der ihrigen, wurde vom ganzen Sachsenlande aufs innigste
betrauert. Der aller Orten mitfühlende Schmerz war um so größer, als
147) Auch in der ausgesprochenen Liebe zur Musik und dem oft staunenerregenden
Verständnis für alle Erscheinungen und Einzelheiten derselben herrschte eine große Ahn-
lichkeit zwischen den beiden königlichen Brüdern Albert und Georg. Gewährt es nicht einen
wohltuenden, ja rührenden Einblick in die friedliche Stimmung des sterbenden Helden Albert,
wenn man erfährt, daß ihm eine der letzten Freuden dieser Erde, der auf seinen Wunsch
angestimmte Gesang einiger Hofdamen und eines seiner Leibärzte (des Stabarztes Dr. Hoff-
mann) gewesen ist? — Von ihrem hochseligen Vater, dem so gelehrten Könige Johann,
ist dem erlauchten Bruderpaare die „musikalische Ader“ freilich nicht vererbt worden, hat
derselbe doch selbst öfters mit vielem Humor Witze darüber gemacht, daß ihm Euterpe nicht
so hold sei, wie die anderen Musen. Wohl aber zieht sich sonst ausgeprägte Vorliebe und
hervorragend in die Erscheinung tretender Sinn für Musik seit Heinrichs des Erlauchten
Tagen durch die Reihen der Wettiner. Von letztgenanntem Markgrafen waren zwei geist-
liche Gesänge zu Ehren der Jungfrau Maria komponiert worden, die in einer Bulle Papst
Innocenz des Vierten vom Jahre 1254 besonders ehrende Erwähnung finden. Kurfürst
Moritz legte in der von ihm begründeten „Kantorei“, welche dann allen folgenden Herrschern
ebenso warm an die Herzen gewachsen war, den Grundstock zu der heutigen hochberühmten
Königlichen Kapelle. Kurprinz Friedrich August aber, der nachmalige König Friedrich
August der Gerechte, ist der Komponist jenes weihevollen Salve Regina, das zuerst bei
seiner Bestattung gesungen wurde und seitdem bei jeder Beisetzung eines Mitgliedes des
königlichen Hauses zur Aufführung gelangt.
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