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tiver Auffassung, nämlich durch den Nichtgebrauch jenes als „aristo-
kratisch" verfemten Kleidungsstückes.
Jetzt hat sich freilich Geschmack und Sinnesart gewaltig geändert und
die moderne Welt ist zu einem großen Teile bestrebt, sich immer mehr
zur Anhängerin der Sanscülotten herauszubilden, geistig wie körperlich.
Ist auch die allzu wörtliche landläufige Übersetzung jener zu einem Begriff
gewordenen Bezeichnung in „Ohnehosen“ nicht richtig, so dürfte doch die-
jenige von „Ohne — Manieren“, „Ohne — Form“, „Ohne — Erinnerung“
und „Ohne — Ideale“" weniger falsch sein.
Was das physische Tragen der langen Röhrenbeinkleider anlangt,
so hat dies allerdings um so mehr seine Vorteile, seitdem mit dem An-
bruche des 19. Jahrhunderts die Hosenträger erfunden worden sind. —
Hony soit qui mal y pensel
Abgesehen von einzelnen besonderen Truppengattungen, bei denen, wie
bei Kürassieren und Husaren, eine eigenartige Bekleidung der Beine Vor-
schrift ist, tragen jetzt in Deutschland sämtliche Offiziere in kriegs= und
feldmäßiger Ausrüstung hohe Stiefeln, wie dies hier die beiden letzterschei-
nenden Wettiner zeigen.
Wie das blinkende scharfkantige Kristall des Eises unter der Einwirkung
fortwährend herabglühender Sonnenstrahlen schließlich zu einem winzigen
Stücklein zusammenschmilzt, von welchem der achtlos Vorübergehende nicht
ahnt, daß es einst ein Berg gewesen, so war unter Einwirkung von Pulver
und Blei das einstmals die Glieder umhüllende Stahlgewand in seiner ersten
Abschwächung zum Brust= und Rückenstück der letzten Panzerreiter, der
Kürassiere geworden. Die leichten, wenn auch martialisch wirkenden Plastron-
Eisen, in denen sich hochgeborene Offiziere porträtieren ließen, um der Mit-
und Nachwelt ein möglichst imponierendes Bild ihrer Ritterlichkeit zu geben,
müssen im Grunde genommen als ein Spielzeug der Effekthascherei an-
gesehen werden. Dagegen verblieb als Überrest des Brustharnisches, ohne
den vor Zeiten kein Edelmann in den Kampf gezogen war, insonderheit
der „Halsberge“, ein erst ziemlich großer, dann allmählich kleiner werdender
Ringkragen von blankem Metall als Abzeichen auf der Brust der Offiziere.
Im dänischen bez. schleswig-holsteinischen Feldzuge 1849 wurden er-
wiesenermaßen (und vom objektiven Standpunkte aus sehr vernünftigerweise)
nichtendes Urteil über das Widerliche der neuen Richtung gefällt hat, für welches ihm
die natürlich und tief empfindende Volksseele von Herzen dankbar ist. Parallel aber
wiederum mit der Lenbachschen Auffassung über die Bekleidungsart des männlichen Ge-
schlechtes der Jetztzeit bewegt sich diejenige des Professors van de Velde über die Art der
Umhüllung des Frauenkörpers, bei welcher vor allen Dingen der weiche, tiefe, künstlerisch
wirkende Faltenwurf früherer Zeiten zu vermissen sei. Seine beherzigenswerten Ansichten
gipfeln in dem Ausspruche, daß die vielbewunderten und vielbegehrten „Pariser Toiketten“
mit ihren Korsetts das Gefühl von Eiseskälte verbreiten, was doch eigentlich keine Empfehlung
für ein weibliches Wesen ist. — Unwillkürlich und unmerklich ist da der Verfasser auf ein
Gebiet geraten, welches er sogleich wieder verlassen will. Daß es gestreift worden, hält er
indessen nicht für unangebracht.