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einer Chaussee stehenden sächsischen Grenadierbataillon vorbei reiten mußte.
Voll Hochachtung und Sympathie sahen die beiden Truppenteile einander
wieder, und der französische Oberst besann sich keinen Augenblick, die ehe—
maligen Feinde durch Neigen der Standarte salutieren und Fanfare blasen
zu lassen, als wenn die Ehrung dem Kaiser gelte. Wahrlich, eine schönere,
von wahrhaftem Hochgefühl für Kriegertugend eingegebene Antwort auf solch
heroische, zur Bewunderung hinreißende Begrüßung des Feindes auf dem
Schlachtfelde konnte nicht gegeben, eine ritterlichere Anerkennung ritterlichen
Benehmens nicht erteilt werden!
Nur einige wenige der zahlreichen glänzenden Perlen aus der ewig
strahlenden Lebenskrone der Treue, nur einige wenige der unverwelklichen
Blätter aus dem von Freund wie Feind neidlos anerkannten Ruhmeskranze
der Tapferkeit sächsischer Soldaten seien hier noch erwähnt. So ist die
Erstürmung der großen Schanze an der Moskwa, des Kernpunktes der
russischen Stellung in der Schlacht von Borodino am 7. September 1812
durch die beiden Kürassierregimenter des Generals von Thielemann eine
der glänzendsten Waffentaten überhaupt. Erhöht noch wird die Großartigkeit
dieser Leistung durch die Tatsache, daß seit langem schon die härtesten
Entbehrungen auf die Krieger wie ihre Pferde eingewirkt hatten und durch
Krankheiten der Bestand jener stolzen Schar sich bereits bedenklich gelichtet
sah. Nichtsdestoweniger waren Mut und Ausdauer unerschöpflich, und die
Worte, die im ärgsten Gedränge des Handgemenges ein Leutnant dem
anderen zurief: „Hier sind wir in der Quetsche, ich möchte, wir wären in
Vetsche!“ (Vötschau, Garnisonstädtchen der Lausitz), geben Zeugnis von dem
ungebrochenen Humor dabei. Leutnant von Minckwitz war der erste, der,
den Graben übersetzend, auf der rufsischen Brustwehr Fuß faßte. Von
450 Mann des Regiments Garde du corps blieben 344, von 400 des
Regiments Zastrow-Kürassiere 264 auf dem Platze. Geradezu plastisch
tritt hier der Todesmut uns entgegen. (Gardedukorps= und Zastrow-
Kürassiere, eigentlich je 786 Mann stark, waren — seit 1809 durch fort-
dauernde Verluste geschwächt — in den Feldzug von 1812 mit je 628 Mann
gerückt.) Und wenn bei dem blutigen Ringen an den Ufern der Lesna
am 11. Oktober die Korporale Gerstenberg und Kreuter (bevor sie ihrer
Truppe zu anderweitem Eingreifen in die Schlacht folgten) ihrem an ihrer
Spitze gefallenen Führer, dem Major von Metzsch, trotz und während
des heftigen Feuers, welches eine feindliche Batterie gerade auf diesen
Punkt richtete, mittelst ihrer Seitengewehre ein Grab gruben, um den ge-
liebten und verehrten Offizier zur Ruhe zu bestatten, so erfüllten, wie
Oberst von Cerrini in dem Werke über 1812/13 sagt, „diese Braven und Ge-
treuen die letzte Ehrenpflicht gegen den Mann, der ihnen stets ein leuchtendes
Vorbild gewesen war und übertrafen damit alles, was Künstler und Dichter
zur Verherrlichung einer Totenfeier irgend erdenken können.“" Ein kleines,
aber erschütterndes Wort ist es auch, und mehr als starke Bände redend,
daß von dem ganzen Infanterieregiment „von Rechten“" nur 6 Mann