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von Engel während des heißen Gefechtes bei Wolkowysk am 15. No-
vember 1812. In siegreicher Attacke hatte nämlich das sächsische Husaren=
regiment ein Regiment Kosaken durchbrochen, als es sich urplötzlich von
zwei frischen Regimentern russischer Dragoner in der Flanke angegriffen
sah und zum Rückzuge gezwungen wurde. Mitten aus dieser Bewegung
kehrte dasselbe aber sofort um, als der Ruf erscholl: „Unser Oberst ist
gestürzt und wird gefangen!“ Den Leutnant von Kracht an der Spitze,
gelang es den Braven wirklich, ihren geliebten Kommandeur den Händen
der Russen zu entreißen, obwohl derselbe aus sieben Wunden blutete. 161)
In den Schlachten von Villiers und Brie-Champigny, 30. November
und 2. Dezember 1870, war es den Sachsen, Schulter an Schulter mit
den Württembergern fechtend, unter großen Opfern gelungen, den mit
eminenter Wucht ins Werk gesetzten und mit hartnäckiger Zähigkeit durch-
zuführen versuchten Ausfall der französischen Armee aus Paris zurück-
zuschlagen. Bezugnehmend auf diese Tage, an denen alle beteiligten Truppen
im vollsten Maße ihre Schuldigkeit getan haben, einige von ihnen aber
sich besonders auszuzeichnen die Gelegenheit gehabt hatten, erließ der
kommandierende General, Prinz Georg, einen Korpsbefehl, in welchem der-
selbe die Haltung der Truppen lobte, „die mit großer Tapferkeit und
seltenem Mute ihren alten Ruhm bewährt und der sächsischen Kriegsgeschichte
ein neues ruhmvolles Blatt hinzugesügt haben“". Speziell ward dem
8. Infanterie-Regimente Nr. 107 wegen des Sturmes auf Brie sur Marne
und dem Schützen-Regiment wegen seines glänzenden Gefechtes gegen vielfach
überlegene Kräfte Bewunderung und volle Anerkennung ausgesprochen. Nur
einige Daten seien hierauf bezüglich angeführt. Das Regiment 107 625)
verlor hier von den nach den mörderischen Kämpfen von St. Privat und
Sedan überhaupt nur noch vorhandenen 17 Offizieren 12, und auch beim
104. Regimente führten Fähnriche und Feldwebel die Kompagnien aus
dem Gefechte. Vom 1. Schützenbataillon wurden gleich beim Beginn des
Vorgehens der Kommandeur Major Schlick und sämtliche Hauptleute schwer
verwundet, so daß der Premierleutnant Freiherr von Hammerstein, obwohl
1061) Der damalige Leutnant, der im Alter von nahezu 90 Jahren als Rittmeister a. D.
in Dresden verstorbene Herr von Kracht, hob, wenn er dieser Episode Erwähnung tat,
immer hervor, daß Oberst von Engel gewiß nicht am Leben geblieben wäre, wenn derselbe
nicht, der starken Kälte wegen, den Pelz eines Trompeters über den seinigen angezogen
gehabt hätte. Die Russen würden ihre Beute noch weit hartnäckiger umstritten haben,
wenn sie geahnt hätten, daß der vermeintliche Trompeter oder Husar der Oberst des Regi-
mentes sei.
162) Erfreuend und ermutigend, sowie wert, überall bekannt zu werden, ist des Königs
eingehendes Verständnis für Tradition und Geschichte. Die während des französischen Feld-
zuges noch jugendliche Offiziere gewesenen Söhne zweier hervorragender Kommandeure des
107. Regiments wurden zu gegebener Zeit auf den gleichen Posten berufen wie ihre Bäter,
wurden Obersten dieses Regimentes. Der Sohn des als Generalleutnant verstorbenen
einstigen Obersten von Schulz (gegenwärtig selbst Generalleutnant z. D.) und der Sohn
des an der Spitze des Regiments gefallenen Obersten von Schweinitz (gegenwärtig General-
major und Kommandeur der 45. Brigade).