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selbst der Mutigsten nicht unbewegt bleiben. — Von dem rußenden Schwalch
der Fabriken, bei der Glut der Hochöfen und in der Luft der Gebläse
werden unter dem betäubenden Geräusche von Schlegel und Eisen, Hammer
und Pochwerk Gestalten nerviger Männer geschwärzt, die, an Cyklopen
und Titanen erinnernd, das Härteste erweichen und das Sprödeste in
Formen zu bringen verstehen. — Am Ambos der Schmied, an der Presse
der Drucker, arbeitet jener für das Fortkommen von Pferd und Wagen,
dieser für dasjenige von Reitern auf dem Pegasus. — In Künstlerateliers
von dem Staube der Gyps= und Marmorabfälle, in den Mühlen und
Backstuben vom Mehle aus Roggen und Weizen werden die Emsigen in
schneeiges Weiß gehüllt, die zu geistiger und leiblicher Nahrung schaffen. —
Der Jünger von Hans Sachs, bei lustigem Pfeifen des sangesfrohen Nürn-
bergers gedenkend, fertigt Schuhe und Stiefel, während „der Schneider
mit der Nadel“ seiner Aufgabe mit derselben Ehre gerecht wird wie „mit
Schild und Schwert der Adel.“ — Meister und Gesellen suchen in fleißiger
Arbeit die Wahrheit des ewig neuen Wortes „An Gottes Segen ist alles
gelegen“ mit dem alten in Einklang zu bringen „Handwerk hat goldenen
Boden.“ — Kaufleute aller Art ordnen im Austausche mit den Erzeug-
nissen des Inlandes Ballen und Säcke, Kisten und Kasten, welche die
Produkte fernster Länder bergen: Alle diese Erscheinungen haben ihre große,
unleugbare Wichtigkeit; jede einzelne dieser Beschäftigungen hat ihre weite
Kreise ziehende Bedeutung.
Nicht vergessen werden oder hintangestellt über der Arbeit fleißiger
und geschickter Hände oder über den Leistungen physischer Kraft darf der
geistige Hauch, der als Lebensodem für das ganze Volk aus den Studier-
stuben gläubiger Gelehrter, Dichter und Denker hinausdringt ins ganze
Land; ebenso wie der reiche Segen eines vielleicht äußerlich armen, aber
innerlich um so reicheren, im Christentum echten wie im Deutschtum rechten
Pfarrhauses.
Bildung und Erziehung der Jugend, einen Kulturzweig, der gerade
in Sachsen zu höchster Blüte entfaltet ist, repräsentieren auf dem Sgraffito-
fries die drei Jünglinge mit den Fahnen 1. der von Friedrich dem Streit-
baren im Jahre 1409 gegründeten Universität Leipzig, 2, der Schule zum
Heiligen Kreuz in Dresden, welche bereits Anno 1300 urkundlich erwähnt
wird und somit wohl eins der ältesten Gymnasien Deutschlands sein dürfte,
sowie 3. der Technischen Hochschule, welche im Jahre 1871 aus dem (An-
fang des 19. Jahrhunderts errichteten) Polytechnikum zu ihrem jetzigen
Grad erhoben worden ist.
Der Korpsbursche im studentischen Wichs, mit dem Cerevismitzchen
(welches seinen Namen bezeichnenderweise von der lateinischen Ubersetzung des
„Urstoffes“ Bier ableitet) und der dem Polentum entnommenen Pickesche
ist ein Herr von Erdmannsdorff. Sein Wappen erscheint auf der breiten
Verbindungsschärpe. (Wernherus de Ertmaristorf lebte 1206. Johannes
von Erdmanstorf und seine Söhne waren um 1280 im Altenburgischen