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Dicke und Mächtigkeit man sich freute, wurden uneingeschränkt ihrem natür—
lichen Wachstum überlassen; ja, auch die Fesselhaare an den Füßen blieben
ungeschoren und erhöhten den Eindruck des Wilden und Unbändigen. Jene
Zeit, in der langwallende Locken noch als ältestes Symbol freier Geburt
des Mannes galten, kannte die häßliche Unsitte des Schweifstutzens nicht
und erwähnt nur ein Abschneiden von Schweif und Mähne als entehrende
Straf-Maßregel. Dagegen kommt das Zopfflechten häufig vor. Unter
allen Farben, von denen dem blendenden Weiß der Schimmel oder Blank-
rosse der unbestrittene Vorzug gegeben wurde, waren auch Schecken, Tiger
und Mohrenköpfe nicht nur an der Tagesordnung, sondern sogar beliebt —
entsprechend dem Gefallen unserer Altvordern am Bunten und Bizarren —.
Der Schecken von Wallensteins Vetter, vor dessen Besteigen Piccolomini,
„der Treueste im ganzen Lager“, gewarnt hatte, dürfte einer der letzten
dieser Pferdegattung gewesen sein, die im Heere geritten wurden. Die
Jetztzeit, die in ihren praktisch-nüchternen Erwägungen dem Landmanne
gleicht, der „stets auf reine Aussaat streng gehalten“ und daher seinem
Knaben die Freude nimmt, „Kornblumen, Mohn und bunte Raden" zu
finden, hält sich an uniforme Farben, da sie Spielereien abhold ist. —
Geritten wurde anfangs nur mit einfacher Trense bis etwa zur Mitte des
14. Jahrhunderts. Von da an kommen Kandarevorrichtungen mit Doppel-
zügeln auf, und es kamen Gebisse vor, die recht grausam erscheinen. Aber
freilich mögen dieselben bei den so starken Pferden nötig gewesen sein, um
sie unter allen Umständen in der Gewalt zu haben.
Die einfache Trense (trens heißt niederdeutsch Schnure und Strick)
ist allem Anscheine nach eine der ältesten Vorrichtungen, wenn nicht die
älteste überhaupt, durch welche der Mensch versucht hat, unter Benutzung
der Empfindsamkeit des Pferdemaules, Herr des Rosses zu werden. Trensen
von fest gedrehtem Bast oder Holz werden noch jetzt zur ersten Gewöhnung
benutzt. Die ungleich schärfere Kandare (mehr oder weniger auf Hebelsystem
begründet) stammt wahrscheinlich von Kante, als dem Begriff von etwas
Scharfem, Eckigem. Der auf Hebelkraft beruhende „Kanthaken“ dürfte
unzweifelhaft etymologische Verwandtschaft mit jenem Stangengebiß haben.
Vom Gebisse des Rosses Kaiser Constantins erzählt die Sage, es sei aus
den umgeschmiedeten Nägeln des Kreuzes Christi hergestellt worden, damit
es Roß und Reiter zum Siege führe.
Während die wilden Reitervölker des Ostens, denen eine möglichst große
elementare Freiheit, in Verbindung mit möglichst unbegrenzter Schnelligkeit
der Bewegungen Bedürfnis ist, sich noch jetzt ohne weiteres auf den blanken
Rücken des Pferdes schwingen, gewann im ritterlichen West-Europa, schon
von der fränkischen Epoche an, die Benutzung von Decke, Sattel und Steig-
bügel eine immer größere Bedeutung. Die gepolsterten Kissen, welche von
den Römern der Kaiserzeit als Sitze auf den Pferden benutzt wurden,
galten den Germanen als Ausfluß der Verweichlichung. Indessen — ohne
damit sagen zu wollen, daß böse Beispiele gute Sitten verderben — begannen