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Das Leitwort, das ein jeder fromme Vater seinem Kinde auf den Weg
ins Leben mitgeben müßte, das so einfache und inhaltschwere „Bete und
arbeite“, diese Quintessenz göttlicher wie menschlicher Mahnung, wurde von
unserem Kurfürsten und seinen Sachsen vorbildlich bewahrheitet. Im Felde
standen die wehrhaften Söhne tapfer und furchtlos gegen den Ansturm der
Osmanen. Daheim füllten die Gotteshäuser sich mit Andächtigen, lagen die
Angehörigen jener Braven, lagen die Angehörigen von Christi Lehre und
Germaniens Vaterland auf den Knieen, um Abwendung der immer ernster
drohenden Gefahr bittend, Segen und Erfolg auf die Waffen der ihrigen
herabflehend. In der richtigen Erkenntnis, daß ein wahrhaft inbrünstiges
Gebet nicht ohne vorherige Buße gebetet werden könne, ordnete Kurfürst
Johann Georg, als die Türkengefahr immer dringlicher wurde, wegen der
auch bereits das Türkenläuten?) eingeführt worden war (welches sich teilweise
noch heute erhalten hat), an: daß an bestimmten Tagen die Gemeinden mit ihren
Hirten zusammenkommen sollen, um eingehend Buße zu tun und Besserung
zu geloben, auf daß ihr Gebet eine mehrere Wirksamkeit habe. Hieraus
sind die Bußtage entstanden, die noch heute gesetzliche Geltung haben, nur
daß neuerdings mit Rücksicht auf das benachbarte größere Preußen, die
bisher auf die Freitage vor Okuli und vor dem letzten Sonntage nach
Trinitatis festgesetzt gewesenen Bußtage auf den Mittwoch vor dem letzten
Trinitatistage verlegt worden sind.0) Durch dieses Entgegenkommen Sachsens,
welches nicht ohne Schmerz vor sich gegangen ist, herrscht jetzt im größten
Teile des evangelischen Deutschland, bezüglich dieser Frage übereinstimmung.
Während jene Anordnungen auf das innere Wohl und für das geistige
Leben seiner Untertanen gerichtet waren, ist unter den verschiedenen segens-
reichen Regierungsmaßnahmen, die zur Hebung äußerer Wohlfahrt und
Ordnung beitrugen, besonders die Schaffung des kursächsischen Postwesens
hervorzuheben. Unter allmählicher Ablehnung des Kaiserlichen Postregals
von Thurn und Taxis (welches bereits 1516 ins Leben getreten war, aber
die Gefahr einer einseitigen Monopolisierung des gesamten Verkehres von
Deutschland in sich schloß) wurde im Jahre 1661 eine kurfürstlich sächsische
Post für Brief= und Personenbeförderung mit dem Verwaltungssitze in
Leipzig errichtet. Mehrere Jahre später ward ein Ober-Postmeister ernannt
und dann die Ober-Postdirektion eröffnet. Diese ganze Institution wurde
als landesherrliches Regal verpachtet, daher die Uniformierung der Post-
beamten in gelb und blau, den Wettinschen Hausfarben. Mit dem Bureau-
70) Die durch besonderes Glockenläuten allabendlich erfolgte Aufforderung zum Gebet
um Hilfe gegen die Türken.
s0) übrigens kannten schon die alten Römer Tage, an denen, nach Anordnung des
Senats, von den gesamten Bürgern um Abwendung irgend eines Unheils gebetet wurde,
und die alte christliche Kirche, die jetzige katholische, hatte in den Quatemberfasten ihre be-
stimmte Bußzeit. Am 31. Oktober 1667, der 150 sten Wiederkehr des Tages, an welchem
Martin Luther seine Thesen an die Schloßkirche zu Wittenberg angeschlagen hatte, ordnete
der Kurfürst an, daß der 31. Oktober alljährlich im ganzen Lande als Reformationsfest ge-
feiert werden solle.