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Kraft der auf dem Reichstage zu Speyer erlangten Vollmacht der
evangelischen Landesherren, die kirchlichen Verhältnisse in ihren Territorien
als „Notbischöfe“ ordnen zu dürfen — auf welche der Übergang der geist—
lichen Gewalt und Weihe stillschweigend als erfolgt angenommen wurde —
führte Kurfürst Johann unter Einsetzung von Superintendenten als kirchlichen
Beamten des weltlichen Oberhirten oder Summus Episcopus, sowie unter
Aufhebung der Klöster (42 Mönchs= und 28 Nonnen-Klöster) und Ein-
ziehung des Kirchengutes samt seinen gestifteten Schenkungen, eine sogenannte
monarchische Landeskirche und eine Umgestaltung des Schulwesens nach An-
gabe Melanchthons im Ernestinischen Sachsen ein. Eine allgemeine gründ-
liche Schul= und Kirchen-Visitation sorgte für die Ausführung dieses von
seiner überzeugung ausgehenden Umschwunges in seinen Landen. Wittenberg
ward der Mittelpunkt der evangelisch-lutherischen Welt.45) Daß er mutig
und ritterlich mit dem Schwerte dreinzuschlagen verstehe und in kriegerischen
Sachen wohl bewandert sei, hatte Johann bereits lange vor den Bauern-
kriegen bewiesen, als er mit Maximilian, dem Sohne seines käaiserlichen
Oheims Friedrich III., 1490 gegen die Ungarn, 1508 aber gegen die Venetianer
gekämpft und sich auf beiden Zügen Ruhm und Ehre geholt hatte. (Bei
Stuhlweißenburg war er z. B. als einer der Ersten, der die Mauer erstiegen
hatte, mit einer Mauerkrone ausgezeichnet worden.) Seine Person illustriert
so recht das Wort „der frömmste Soldat — der beste Soldat“". Denn als
einmal einige Hofleute äußerten, des Kurfürsten Prinzen würden nicht wie
Ritter, sondern wie Gelehrte erzogen, nahm er diese Bemerkung auf und
erwiderte: „Wie man seine Beine über ein Pferd hängen und festiglich reiten,
der Feinde und wilder Tiere sich erwehren solle, das können meine Reiter-
jungen und Jägerbuben auch, und das von sich selbst. Aber wie man gott-
selig leben, weislich regieren und Leuten löblich vorstehen soll, dazu brauchen
wir gelehrter Männer und guter Bücher nebst Gottes Geist und Gnade.“
Auch fand er täglich Zeit, etwas in der Bibel zu lesen. Die Frucht des
Reichstagsbeschluß zu Worms vom Jahre 1521 in deutscher Sprache erfolge, da, wie
er mannhaft aussprach, „wir Deutsche auf deutschem Boden sind“.
45) Dafür, daß die neue Lehre der Kirchenbesserung — als gegen die Mißbräuche
gerichtet, die sich in der alten Kirche eingeschlichen hatten — in friedlicher Weise alte Auf-
fassungen zuließ, also keineswegs einen unheilbaren Bruch herbeiführen wollte, gibt unter
anderem auch das Testament Johanns des Beständigen (datiert vom 11. Dezember 1526
zu Weimar) einen Beweis. Im Eingange desselben (eines Musters christlicher Demut)
ruft der doch wahrlich streng lutherisch gesinnte Kurfürst, außer der „ewigen und ungeteilten
allerheiligsten Dreifaltigkeit", gegen vierzig verschiedene Heilige mit Namen an. übrigens
möchte hier eine Außerung des Kurfürsten am Platze sein, die derselbe einmal seinem lieben
Dr. Martin Luther gegenüber getan hat: „Es ist wahr, Gott hat mich zu einem großen
Fürsten gemacht und mir eine stattliche Ritterschaft untergeben, so daß ich wohl eltliche
tausend Pferde kann satteln lassen. Wenn es aber Gott anders haben und mich nicht also
bleiben lassen will, so soll mir solches nicht hart ankommen. Ich will ihm zu Gehorsam
gerne, wenn es ihm also gefällig, mit acht oder vier Pferden reiten, und soll mich's nicht
zürnen.“