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bildlichen Lebenswandel von deren Hirten — der Geistlichkeit „hoch wie
niedrig" — gegründet sei, schritt Herzog Georg, von aufrichtiger Frömmigkeit
getrieben, zu einer Visitation und Reformierung der Klöster in seinen Landen,
lange bevor Luther, als geistiges und geistliches Oberhaupt der Evangelischen,
dies im protestantischen Sinne zu tun anregen konnte.“) Zu diesem Zwecke
hatte dieser, der Kirche und dem Glauben so innig zugetane, Herzog, um an
seinem Teile deren Bestes fördern zu helfen, in jenen Zeiten religiöser Wirren,
sich selbst zum Oberhirten weltlicher Art seines von Gott ihm zur Verwaltung
und Regierung anvertrauten Gebietes zum Summ-Episkopus gemacht.
Mit Andacht hörte Herzog Georg die Predigten des evangelisch gesinnten
Kroßner, den er ausdrücklich deshalb als Hofkaplan nach Dresden berufen
hatte, um das lautere Evangelium zu hören. Diesem Geistlichen erklärte
der Herzog, das Evangelium könne er gar wohl leiden, nur die Ungeschicklich-
keiten seien es, die er nicht vertragen könne. Auch gab Herzog Georg die
weitere Erklärung, er sei bereit, den Genuß des heiligen Abendmahles unter
beiderlei Gestalt (als der heiligen Schrift entsprechend) zu gestatten, so wie
der Papst es genehmigen würde. So grundlegende Schritte gewissermaßen
„auf eigene Faust“ zu tun und am Papsttume zu rütteln, ließ Georgs
Autoritätsgefühl nicht zu, obwohl gerade das Studium der Bibel ihn hätte
dazu führen müssen, „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“. Tradition
und Konservatismus bilden eben doch eine große Macht, auch sonst als richtig
anerkannten Überlegungen gegenüber. Es darf dem echt deut schen Fürsten,
als welchen sich Herzog Georg allezeit bewährt hat, nicht vergessen werden,
mit welcher Hoheit er dem König Heinrich VIII. von England Antwort
gab auf dessen Rat, Luthern durch heimliche Ermordung beiseite bringen zu
lassen, „um des Unruhestifters ledig zu sein“. Die ruhige, aber doch im
Inneren Zorn sprühende Zurückweisung dieses Ansinnens muß um so höher
4%) Dem Papste schlug Herzog Georg als einen Ausweg gegen die drohende Gefahr,
Spaltungen in der Kirche einreißen zu lassen, vor, eine Kommission aufrichtig frommer,
also für das Heil ihrer Seelen wie für das Wohl von Kirche und Staat gleich redlich be-
sorgter Männer einzuberufen, um die vorhandenen Mißbräuche festzustellen, deren Abstellung
entschieden nötig sei. Darauf müsse dann ein Konzil einberufen werden, um reformierende
Bestimmungen zu erlassen und die Ungehorsamen zu den Ordnungen der Kirche zurück zu
führen. Notwendig sei hierbei, daß Papst und Kaiser, kirchliche und weltliche Obergewalt,
sich hierzu strengstens verbinden und Hand in Hand vorgehen müssen. Freilich müsse der
Papst im Reformieren und Abstellen von Mißbräuchen und Argernissen bei seiner eigenen
Hofhaltung den Anfang machen. Dies zu tun, hatte aber Leo X. weder Lust noch Sinn.
Und so unterblieb das, was Herzog Georg und mit ihm Tausende der Besten seiner Zeit
und früherer wie späterer Jahrhunderte, als das einzige Mittel erkannten, Wandel zu
schaffen, ohne eine Spaltung herbeizuführen: eine Reformation von oben. Männer, wie der
sittenstrenge Kardinal Sadolet bestätigen dies. Wenn diese Reformation auch nicht ganz im
Sinne Luthers gewesen wäre und insonderheit die Lehre nicht derartig wesentlich umgestaltet
haben würde, so hätte doch, unter Zugrundelegung von Luthers Thesen und Forderungen,
die einer so eminent großen Anhängerschaft sicher waren, bei gegenseitigem wohlwollenden
Entgegenkommen gewiß auch Weiteres sich erreichen lassen können. An dem damaligen
Bischof von Meißen und vielen, sehr vielen Einsichtigen würde die Bewegung eifrige Helfer
gesunden haben.