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hat auch die Lehre vom Gebietserwerb durchgreifende Umge-
staltungen erfahren. Beim Beginne der völkerrechtlichen
Entwickelung schen wir sie, entsprechend der allgemeinen
Staatsauffassung damaliger Zeit, noch vollständig von privat-
rechtlichen Anschauungen beherrscht. Und in der That, wenn
man die Gebietshoheit als Eigentum betrachtete, war es ganz
naturgemäss und folgerichtig, den Erwerb derselben nach den
Grundsätzen des privatrechtlichen Eigentumserwerbs zu beur-
teilen. Dazu gewährte das römische Recht in seiner späteren,
des streng nationalen Gepräges entkleideten Entwickelung ge-
rade für die Lehre vom Eigentumserwerb ein System von Grund-
Sätzen, welche sowohl durch den ihnen eigenen universellen
Charakter, als wegen ihrer weitverbreiteten Geltung unter den
verschiedensten Völkern wohl geeignet erschienen, die inter-
nationalen Beziehungen zu regeln. So wurde denn die Theorie
des römischen Rechts von Grotius als Grundlage der Lehre
vom Erwerb des sog. Staatseigentums auch in das Natur- und
Völkerrecht eingeführt. Diesem Vorgang schlossen sich fast
Sämtliche späteren völkerrechtlichen Schriftsteller an1), und
auch in der Staatenpraxis wurde mit römisch-rechtlichen Kate-
gorien argumentiert.
Wenn man sich nun auch bei fortschreitender Erkenntnis
So leitet z. B. Bynkershoek seine Erörterung der einzelnen
Erwerbsgründe mit folg. Worten ein: „Postquum Lex certos dominüi
acquirendi modos pracscripsit, hos sequemur“ (De Dom. Maris, Op.
Tom. II.); und einer der neuesten Völkerrechtsschriftsteller, F. v. Martens
(Völkerrecht I. S. 349), sagt ausdrücklich, dass auf die Erwerbsarten
des internationalen Eigentums „dic bezüglichen Grundsätze des römischen
Rechts ganz oder teilweisc anwendbar“ scien.