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den Charakter eines Tausches noch den eines Kaufes haben,
die vielmehr rein und ausschliesslich auf politische Beweg-
gründe zurückzuführen sind. In einigen seltenen Fällen
liesse sich etwa der Gesichtspunkt der Schenkung geltend
machen, wie z. B. gegenüber der Abtretung der Jonischen
Inseln seitens Grossbritanniens an Griechenland 1863. Einen
andern Charakter hat dagegen die als Preis für die politische
und militärische Unterstützung im Kampfe gegen Csterreich
im Turiner Vertrag vom 24. März 1860 stipulierte Abtretung
von Nizza und Savoyen an Frankreich.
Die bei weitem häufigsten Gebietszessionen sind zu allen
Zeiten die in Friedensschlüssen vereinbarten gewesen,
durch welche ein im Kriege besiegter Staat, ausser stande
seine Integritüät länger zu verteidigen, einen Teil seines Ge-
biets an den Sieger oder mit dessen Willen an einen dritten
Staat abtritt, um sich dadurch den Frieden und die Erhaltung
Seiner übrigen Besitzungen zu erkaufen. Der Gebietserwerb
beruht in diesem Falle nicht, wie häufig gelehrt wird,
auf einem besonderen Rechtstitel der Eroberung, sondern
lediglich auf dem Friedensvertrag, in welchem sowohl der Ab-
tretungswille des Zedenten, als der Erwerbswille des Zessionars
zum Ausdruck gelangen. Ein solcher Vertrag ist ohne jeden
Zweifel ein völkerrechtlich giltiger, wenn auch der abtretende
Staat in seiner Willensbestimmung nicht frei war, sondern
unter dem Drucke äusseren Zwaunges handelte.1) Es gilt
1) Vergl. Bluntschli § 408: „Es wird angenommen, die Willens-
freiheit des Staates sci nicht aufgehoben, wenn glcich der Staat in seiner