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Der Krieg kann aber, abgeschen von dem äusserst selten
vorkommenden Falle einer rein thatsächlichen Einstellung
der Feindseligkeiten und Wiederaufnahme friedlichen Ver-
kehrs,!) nur in zweierlei Weise beendigt werden: entweder
durch einen mit der zwar besiegten, aber als solche noch
bestehenden feindlichen Staatsgewalt vereinbarten Friedens-
Vertrag, oder durch vollständige Unterwerfung des Feindes
und die Vernichtung seines Staatswesens. Im ersteren Falle
kann das militärisch besetzte Gebiet der Gebietshoheit des
Okkupanten vermittelst vertragsmässiger Festsetzung endgiltig
unterworfen werden; diese Abtretung kann sich jedoch auch
auf andere, vom Zessionar nicht besetzte Gebietsteile erstrecken,
in welchem Fall es der thatsächlichen Besitznahme des abge-
tretenen Gebiets zur Rechtsgiltigkeit des Erwerbs prinzipiell
nicht bedarf.)
vahi M'est considéré comme conquis avant la fin de la guerre: jusqn'a
ce moment Toccupant Wy cxerce qdwun pouvoir de fait, essentiellement
Provisoire.“ Vergl. auch die Brüsscher Kricgsrechts-Deklaration vom
27. August 1874, Art 1 u. 7.
1) Als Beispielc hierfür können angeführt werden die Beendigung des
Kriegs zwischen Schweden und Polen i. J. 1716 und aus neuester Zeit
das Verhälinis Preussens zu dem Fürstentum Liechtenstein nach
dem Kriege von 1866. — Die Gebietsverhältnissc der beiden gegnerischen
Staaten werden im Falle einer derartigen Beendigung des Krieges im
Zweifel nach dem Grundsatze uti possidetis zu beurteilen sein, so dass
also während des Krieges militärisch besctzte Gebiete im Besitz der
okkupierenden Macht bleiben. Der Gebietserwerb vollzieht sich in diesem
Falle durch Okkupation eines infolge Dercliktion herrenlos gewordenen
Gebietes. Oder, wenn man lieber will, kann man bier auch eine still-
schweigende Zession annehmen Praktisch wird der Fall doch so leicht
nicht werden.
2) Nur in diesem, immerhin seltenen Fall kann unter Umständen
die alte Streitfrage praktisch werden, ob es zur Perfektion der Gebiets-