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„Uberhaupt können alle dem privaten Familien- und
Erbrecht oder dem Lehnrecht entnommenen Eigen-
tumserwerbstitel nach moderner Staatsauffassung keinen
Erwerb der rein öffentlichrechtlichen Gebietshoheit
begründen. Ebensowenig können die privatrechtlichen Be-
stimmungen über den Fruchterwerb im Völkerrecht irgend-
welche analoge Anwendung finden.
Der völkerrechtliche Erwerb der Gebietshoheit
vollzieht sich nur in den des Näheren besprochenen
Formen der Okkupation (einschliesslich der debellatio), der
Akzession und der Zession. Andere selbständige Gebiets-
erwerbstitel kennt das moderne Völkerrecht nicht.“)
werbungen geradezu sprichwörtlich geworden: „Bella gerant alül, tu,
felix Austria, nube! Nam qduae Mars alüs dat tibi regna Venus.“
Nach moderner Anschauung begründet das private Fa-
milien- und Erbrecht der Dynastien an und für sich weder
staatsrechtliche noch völkerrechtliche Ansprüche. Dasselbe
ist staatsrechtlich nur insoweit von Bedeutung, als es in dem verfassungs-
mässigen Sukzessionsrecht einen Ausdruck gefunden hat. Einen völker-
rechtlichen Erwerb der Gebietshoheit begründet jedoch selbst das ver-
fassungsmässige Sukzessionsrecht allein nicht; aus demselben folgt zunüchst
nur eine Personalunion, welche die Gebietshoheit, der beiden durch sie
verbundenen Staaten völlig unberührt lässt. Bloss durch einen auf Unter-
werfung bezw. Vereinigung gerichteten beiderseitigen, verfassungsmässigen
Willensakt kann ein Erwerb bezw. die Entstehung einer neuen Gebiets-
hoheit sich vollziehen. «
1)Geckclcen(iader7.Aufl.t-.Ilesiter,§69,N.7)kübrtalssolcbeu
noclsilieclurcheininwrnatioaulesschiedsgerichterfolgtoAdjmli-
kation in Teilungs- und Grenzstreitigkeiten an und bebauptet beispiels-
weise, die Vereinigten Staaten besässen San Juan kraft Schiedsspruchs
des deutschen Kaisers. — Diese Ansicht ist jedoch nicht richtig. Der
völkerrechtliche Schiedsspruch schafft allerdings, wie der privatrecht-
liche, Recht zwischen den Parteien, aber nicht durch eigene Kraft, son-
dern kraft derjenigen, mit welcher er von den Parteien begabt ist. Vergl.
Windscheid, Pandekten II. s 415. Mit Recht sagt daher Welcker (Art.
Schiedsgerichte in s. Staatslexikon, XIV, S. 252ff: „Wenigstens mittel-