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ledigt worden. Auch heute noch finden wir in der Theorie
des Völkerrechts die verschiedensten Ansichten über die Be-
deutung der Verjährung vertreten. Während einige, be-
sonders deutsche, Schriftsteller!1) an dem Standpunkt von
Grotius festhalten und nur die eigentliche praescriptio immec-
morialis gelten lassen, sprechen sich andere2) für eine von
den spezifischen Erfordernissen der Unvordenklichkeit unab-
hängige Verjährung durch unbestimmte, nach verschicdenen
Kriterien zu bemessende Zeitdauer aus, während endlich einige
wenige Autoren 9) einen Rechtserwerb durch Verjährung für
das Völkerrecht überhaupt leugnen.
1 80 Heffter § 12, Hartmann § 16, F. v. Martens § 90,
v. Bulmerincq § 47, der letztere mit direkter Bezugnahme auf die
Theorie von Savigny (Syst. d. röm. Rechts IV, § 195).
2) Vattel, II, caup. 11, § 140 fl., bes. § 147, lässt nicht nur die
praescripiio immemorialis, sondern auch die eigentliche usucapio und
praescriptio, allerdings ohne bestimmte Zejitfristen, als auf Naturrecht
beruhend zu. S. ferner Wheaton, Elements (ed. Boyd) § 165, Wild-
man I, S. 74, Phillimore (2. Aufl) I, S. 293 fl., Hall § 36 und Or-
tolan, S. 97 fft. Am besten Bluntschli § 290.
:) So Lampredi (Jus publ. univ. III, 8), Klüber 56, Rayneval,
Instit. S. 155 und G. v. Martens, Précis I, § 70 u. 71, welcher nur
einen „favor possessionis“ zugiebt, „qui ne peut e6tre qdue treès-impropre--
ment appelé prescription immémoriale“. Hierher gehört auch, was der
elrliche alte Moser über die Bedeutung der Verjährung für das posi-
tive Völkerrecht schreibt (Versuch, V, c. 5, S. 4): „Öber die Verjährung
haben die europäischen Staaten keine gewissen Grundsütze. Dass solches
sehr dienlich wäre und in vielen Streitigkeiten den Ausschlag geben
oder doch befördern würde, ist ganz sicher und unleugbar. Aber ebenso
gewiss und unleugbar ist auch, dass, wann man das Betragen und die
Streitschriften derer europäischen Machten in dergleichen vorkommenden
Fällen in Erwägung zieht, nichts weiteres herauskommt, als dass die-
selben die Verjährung erkennen und verteidigen, wann und insoferne sie
ihren Ansichten dienlich ist, und hingegen verwerfen und nicht gelten
lassen, wann und insoferne sie zu ihren Absichten nicht dienlich ist. —
Ich erzähle nach meiner Gewohnheit nur, was geschieht: Es wolle also