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Aber auch diese letzteren konnten sich nicht ohne wei-
teres einer Betrachtung der Okkupation zuwenden. Es musste
zunächst die rechtliche Natur des völkerrechtlichen Gebiets-
erwerbs, wie sich dieselbe im Lichte der zuvor festgestellten
rein öffentlichrechtlichen Begriffswelt darstellt, im allgemeinen
untersucht und die für jede Art solchen Erwerbs gleicher-
weise geltenden Rechtsnormen erörtert werden. Da nun aber
die einzelnen Arten des völkerrechtlichen Gebietserwerbs unter
einander im engsten Zusammenhang stehen, sich vielfach
gegenseitig kreuzen und verbinden, so war es nötig, eine
kurze Ubersicht über dieselben zu geben. Alle diese Er-
werbsarten erhalten durch ihre Unterordnung unter streng
öffentlichrechtliche Begriffe ein von dem überkommenen we-
sentlich abweichendes Aussehen. Einige derselben werden
wir wegen ihrer rein privatrechtlichen Natur ganz ausscheiden,
andere aus einer ihnen seit Jahrhunderten anhaftenden, ihr
wahres Wesen entstellenden Hülle befreien; wieder andere
äusserlich unter verschiedenem Titel auftretende werden wir
ihrer innersten Natur entsprechend unter einen gemeinsamen
Begriff bringen. Auf diese Weise wird gerade der Begriff
der Okkupation eine ganz neue Ausprägung und bedeutend
erweiterte Ausdehnung erfahren. Er wird nicht nur den Be-
grifft der Eroberung (debellatio), sondern auch den für die
neueste Rechtsentwickelung besonders wichtigen Zwitterbegrist
des kolonialen Protektorats verschlingen.
So hat sich die vorliegende Schrift, die anfünglich bloss
eine Studie über das koloniale Okkupationsrecht werden sollte,