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auffassen mussten. Die einzelnen Länder, welche das erst
spät als Einheit erkannte Staatsgebiet ausmachten, waren
Objekte eines dem Landesherrn zustehenden privat- oder
lehnrechtlichen Immobiliarsachenrechts. Das Verhältnis wurde
als dominium oder proprietas terrae bezeichnet; der Herrscher
selbst hiess dominus terrae, Landesherr. Erwerb und Verlust
der Gebietshoheit wurde im wesentlichen nach den Grund-
Sätzen der Eigentumslehre beurteilt. Das Staatsrecht operierte
dabei hauptsächlich mit lehnrechtlichen Kategorien, während
im völkerrechtlichen Verkehr die Lehren des universellen
römischen Privatrechts vorwalteten.
Für die juristische Konstruktion war, äusserlich be-
trachtet, die Gleichstellung der staatlichen Gebietshoheit mit
dem privaten Eigentumsrecht, höchst bequem. Sie gestattete,
die prinzipiell wie im einzelnen ziemlich feststehende Eigen-
tumstheorie ohne weiteres, mit ganz geringfügigen Modifi-
kationen, auch auf das Staatsgebiet anzuwenden. Das Re-
Sultat dieser Anwendung stand trotz aller inneren Unwahrheit
und prinzipiellen Unhaltbarkeit doch dem äussern Scheine nach
mit den thatsächlichen Verhältnissen genügend in Einklang,
um Jahrhunderte lang das Bedürfnis der Theorie wie der
Praxis zu befriedigen. Und in der That lag es nahe genug,
die ganz unfertige und aus der buntesten Mischung öftent-
licher und privater Rechtstitel zusammengesetzte Staatsgewalt
des Mittelalters in der Weise der juristischen Erkenntnis zu-
gänglich machen zu wollen, dass man in dem unstreitig unter
andern in derselben vorhandenen Eigentumselemente das