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Dieses rein öffentliche Recht der Staatsgewalt am Gebiet,
dessen absolute Verschiedenheit von jeder Art privatrecht-
licher Berechtigung bereits zur Genüge betont ist, äussert
sich in zwiefacher Weise, auch darin eine entschiedene Ana-
logie mit dem Eigentumsrecht bietend.
Positiv bedeutet die Gebietshoheit die vollkommene
staatliche Herrschaft über das Staatsgebiet mit Allem,
Ausübung der dem Staate zustehenden Herrschaftsrechte über seinen
räumlichen Machtbereich Die Staatsgewalt ist ein Gewaltver-
hältnis gegenüber den Unterthanen, ein staatsrechtliches Sachenrecht
gegenüber dem Territorium.“ Achnl. Herm. Schulze, Einl. in d.
deutsche St.-R. § 48. Brockhaus, Art. Staatsgebiet, in Holtzendorff’s
Rechtslexikon, III. — Eine ganz eigentümliche Auffassung hat mit vielem
Scharfsinn zu begründen versucht Fricker in seiner Abhundlung „Vom
Staatsgebiet“ (in den Tübinger Universitätsschriften v. J. 1867). Er
erklärt „alle Vorstellungen von einer Rolle des Staatsgebiets als sach-
lichem Objekt des Staates“ für „falsch oder schief“ (S. 18). „Das Gebiet
ist keine Sache, sondern lediglich eine Bezeichnung für ein Moment im
Wesen des Staats, seine räumliche Undurchdringlichkeit“ (S. 17). „Das
Gebiet ist die räumliche Grenze des staatlichen Willens“ (S. 160). Wenn
Fr. folgert, dass, weil das Gebiet bloss ein Moment im Begriffe des
Staates sei, der Staat kein Recht an seinem Gebiete haben könne, so
bat dies schon Laband damit widerlegt, dass vielmehr eben dieses aus-
schliessliche Herrschaftsrecht am Gebiet für den Staatsbegriff wesentlich
sei. Dass das Gebiet Objekt eines wie immer gearteten staatlichen
Rechts sei, leugnet Fr. ferner auf Grund seiner Ansicht vom Wesen des
Rechts überhaupt, in welchem er stets nur ein Verhältnis von Suljekt
zu Subjekt, nie cin solches zwischen einem berechtigten Subjekt und einer
Sache erkennt. Darum könne das Gebiet nicht für sich selbst in einem
Rechtsverhältnis zum Staate stehen, sondern höchstens der Staat zu einem
andern Staat in Beziehung auf das Gebiet (S. 7). Diese letztere Argu-
mentation führt hinauf bis zur grundlegenden Frage nach der Natur
des Rechts überhaupt und dem Wesen der Sachenrechte im Besonderen.
Zu einer derartigen eingehenden Untersuchung, wie sie eine kritische
Prüfung der Fricker'schen Theorie erfordert, ist aber hier nicht der Ort.
Den Resultaten der Fr.'’schen Theorie hat sich angeschlossen
G. Meyer, Lehrb. d, deutsch. Staatsr. § 74 (8. 162).