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auf das Völkerrecht zu übertragen und zu untersuchen,
welche Bedeutung ihm innerhalb dieses höheren rechtlichen
Organismus zukommt.
Wir verstehen unter Völkerrecht den Inbegriff der
Rechtsnormen, welche die Beziehungen der unabhängigen
zivilisierten Staaten zu einander regeln. Die Staaten selbst,
als einheitliche und unabhängige Rechtspersönlichkeiten ge-
dacht, sind die Glieder der völkerrechtlichen Gemeinschaft
und die Subjekte des völkerrechtlichen Rechtsverhältnisscs.
Das Völkerrecht stellt nun aber nicht nur die einzelnen Rechte
und Pflichten der Staaten in ihrem wechselseitigen Verkehr
fest, sondern es bestimmt vor Allem auch die Voraussetz-
ungen und Grundbedingungen, von deren Vorhandensein es
die Anerkennung eines Staates als völkerrechtlicher Rechts-
persönlichkeit überhaupt abhängig macht. Wenn es sich nun
in diescer Beziehung zwar nicht darum kümmert, wie der
einzelne Staat entstanden, oder auf welche Weise er innerlich
organisiert ist, sondern den vorhandenen Staat als solchen
anerkennt, so verlangt es dagegen, dass der Anerkennung
beanspruchende Staat auch wirklich Staat sei, dass ihm
keines der wesentlichen konstitutiven Elemente des Staats-
begriffs mangele.
Das Völkerrecht fordert also vor Allem das Vorhanden-
sein einer wirklichen Staatsgewalt. Denn ohne eine solche
einheitliche Willensmacht ist eben überhaupt keine Persön--
lichkeit, also auch kein Staat denkbar. Diese Staatsgewalt
ist aber ihrem eigensten Wesen nach die höchste und oberste