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heitliche und unteilbare Gewalt. „Sie teilen heisst sie ver-
nichten.“ 1)
Dem Staatsrecht fällt die Aufgabe zu, den ihm in erster
Linie angehörenden Begriff der Gebietshoheit zu bestimmen.
Diesen staatsrechtlich festgestellten Begriff legt auch das
Völkerrecht seinen Betrachtungen zu Grunde. Nur der recht-
liche Gesichtspunkt, unter dem es ihn betrachtet, ist ein ver-
schiedener. Wie es den Staat selbst nicht in seinem indivi-
duellen Sonderdasein, sondern als Glied eines höheren Or-
ganismus, der internationalen Rechtsgemeinschaft, auffasst,
so ergreift das Völkerrecht auch die Staatsgewalt und mit
dieser die Gebietshoheit nur insoweit, als dieselben mit der
Staatsgewalt und der Gebietshoheit anderer Staaten in Be-
ziehung treten. Diese Beziehungen erhebt das Völkerrecht,
indem es sie seinen Gesetzen unterwirft, zu Rechtsbeziehungen.
Es muss zu dem Zwecke genau bestimmen, wieweit es die
Gebietshoheit des einen Staates im Verhältnis zum anderen
anerkennt, wieweit es dieselbe im Interesse einer geordneten
Rechtsgemeinschaft gegenüber der Gebietshoheit anderer
Staaten beschränkt. Von diesem Standpunkt aus hat das
Völkerrecht nicht nur die Ausübung der Gebietshoheit
1) Calhoun, Works I. p. 146: „Sovereiguty is an entire thing, to
divide, is — to destroy it.“
Ueber den Begriff der Souveränetät und die begriffliche wie prak-
tische Unmöglichkeit einer Teilbarkeit derselben siche bes. die treffenden
Ausführungen von Seydel, Der Bundesstaatsbegriff, in der 2Zschr. f. d.
ges. Staatsw. Bd. 28 (1872) S. 185—256 (insbes. S. 190—195), u. in seinem
Kommentar zur Verf.-Urk. für d. deutsche R., S. XI und XII. Vergl. ferner
Jellineck, die Lehre von den Staatenverbindungen, insbes. S. 16 fl.
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