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erwerbs fest, und normiert die staatsrechtlichen Folgen der-
Selben.
Den Gebietserwerb selbst, das Recht desselben gegenüber
dritten Staaten, den Rechtstitel, die Erwerbshandlung und
die völkerrechtlichen Folgen derselben regelt das Völkerrecht.
Dieses erkennt prinzipiell jedem Staate das Recht zu, unter
gewissen Voraussetzungen und vermittels bestimmter Rechts-
handlungen sein Gebiet zu vergrössern. Das Völkerrecht
sicht in der Ausdehnung des räumlichen Machtgebietes eines
Staates eine berechtigte Ausserung seiner Lebensenergie, und-
schützt dieselbe, solange sie nicht in die gleich berechtigte
Rechtssphäre anderer Staaten eingreift.
Der Staat erwirbt Gebiet durch seine verfass-
ungsmässig dazu berufenen Organe. Die staatsrecht-
liche ist unter allen Umständen auch eine genügende völker-
rechtliche Legitimation zur Vornahme der Erwerbshandlung.
Aber nicht nur durch seine ständigen Organe, sondern auch
durch Mandatare mit mehr oder minder beschränktem Auf-
trag erwirbt der Staat die Gebietshoheit. Ebenso durch eine
ohne Auftrag, aber im Namen eines Staates erfolgende Er-
werbshandlung, falls dieselbe vom Staate nachträglich ge-
nehmigt wird. Diese beiden letztgenannten Erwerbsarten durch
Stellvertreter fanden eine ganz besondere Ausdehnung und Be-
deutung im Zeitalter der Entdeckungen. Im Auftrag und
Namen der Krone von Kastilien segelte Colon zur Entdeckung
der Neuen Welt aus und unterwarf unermessliche Länder-
massen der spanischen Herrschaft, während fast zu gleicher