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Den Beweis für die Möglichkeit und Rechtsgiltigkeit
eines Souveränetätserwerbs durch Privatpersonen suchen die
genannten Schriftsteller nicht sowohl auf dem Wege be-
grifflicher Deduktionen als vielmehr durch Anführung einer
Reihe von angeblichen Präzedenzfällen zu erbringen, in denen
ein derartiger Erwerb stattgefunden habe und völkerrechtlich
anerkannt worden sei. In der That bietet uns die Geschichte
Vom Ausgang des Mittelalters bis in die neueste Zeit mehrere
Beispiele von Fällen, in denen private Personen oder Gesell-
schaften in den Besitz und zur anerkannten Ausübung von
Staatshoheitsrechten im eigenen Namen gelangt sind. Ob
wir aber in allen diesen Fällen von einem völkerrecht-
lichen Erwerb der Gebietshoheit reden dürfen, ist eine
Frage, die wir erst auf Grund einer eingehenden Betrachtung
der hierher gehörigen geschichtlichen Vorgünge beantworten
können.
Als frühestes Beispiel und als einziges in Europa, aber
allerdings auch an den äussersten Grenzen des damaligen
Rechts- und Kulturlebens, finden wir die Eroberungen des
Deutschen Ritterordens in Preussen und die der Schwert-
brüder in Livland.
Diese beiden geistlichen Ritterorden, welche als Haupt-
zweck die Bekämpfung und Bekehrung der Ungläubigen ver-
folgten, haben durch Eroberung ausgedehnte Gebiete ihrer
Herrschaft unterworfen. Nachdem die für sich allein zu
schwachen Schwertbrüder sich (1237) mit dem deutschen
Orden vereinigt hatten, herrschte dieser in voller unbestrit-