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tener Souveränetät1) über ganz Preussen, Kurland, Livland
und Semgallen. Die durch das Schwert begründete Herr-
schaft des Ordens in diesen Gebieten vereinigte in sich alle
Elemente einer vollkommenen Staatsgewalt. Der Orden schloss
Verträge und Bündnisse mit fremden Staaten, führte Kriege,
schickte und empfieng Gesandte. Seine innere Verwaltung
übertraf an Energie, Umsicht und Vielseitigkeit der Bethä-
tigung die der meisten mittelalterlichen Staatswesen. Den
Charakter eigentlicher weltlicher Staaten erhielten die Ordens-
gebiete indes erst durch ihre Säkularisation im 16. Jahrhundert,
nachdem sie allerdings schon 1466 unter die Lehnsherrlich-
keit der Krone Polen gefallen waren.
In ähnlicher Weise besass der souveräne Johanniter--
orden die Gebietshoheit über Rhodus und seit 1530 in un-
bestrittener Weise auf Grund einer Schenkung Kaiser Karl's V.
über die Insel Malta. Von dieser Besitzung nahm er den
territorialen Titel „Maltescrorden“ an und bewahrte seine
volle Souveränetät über die Insel bis zum Jahre 1798.
An diese eigentümlichen Vereinigungen mittelalterlichen
Ursprungs, deren Prinzip und Zweck religiöser und christlich-
kultureller Natur waren, schliessen sich der Tendenz nach
) Daran wird weder durch die päpstliche Schenkung noch durch
die kaiserliche Belehnung, auf Grund deren der Orden seine Eroberungen
unternahm, etwas geändert. Die auf den vagen und rein theoretischen
Anspruch des dominium mundi gegründeten Verleihungen haben nie zu
einem wirklichen Lehnsverhültnissce geführt. Die Gehietshoheit des
Ordens beruhte lediglich auf der thatsächlichen Unterwerfung des Landes,
nicht auf dem Rechtstitel der Schenkung oder Belehnung. — Im Uhrigen
vergl. Voigt, Gesch. d. Deutsch. Ritterordens. Berl. 1857/609.
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