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das Reich durch seine Bevollmächtigten die Gebietshoheit
direkt durch Verträge und formelle Besitzergreifung für sich
crworben. 1, Auf diese Weise wurden die Gebiete von Ka-
merun und Togo, einige Südwestafrvikanische Terri-
torien und endlich sämtliche Besitzungen in der Südsee
(Kaiser-Wilhelms-Land, Bismarck- Archipel, Mar-
schalls- und Salomons-Inseln) direkt durch kaiserliche
Beamte unter den Schutz des Reiches gestellt. In Angra
Pequena dagegen, sowie in Ostafrika, fand der vertrags-
mässige Erwerb von territorialen Hoheitsrechten zunächst
durch Privatpersonen, die keinen staatlichen Auftrag hatten,
statt, und gieng von diesen erst durch Unterstellung unter die
Oberhoheit des Deutschen Reichs auf den Staat über. Wir
wollen zur näheren Erläuterung nur auf die beiden typischen
Fälle von privatem Gebietserwerb an der Küste von Ostafrika
eingehen.
Die umfangreichen Besitzungen der Deutsch-Ostafri-
kanischen Gesellschaft zwischen der Sansibarküste und
den grossen Seen sind hervorgegangen aus den Gebietserwer-
bungen, welche durch im Namen der Gesellschaft für deutsche
Kolonisation im November und Dezember 1884 mit mehreren
cingeborenen Häuptlingen abgeschlossene Verträge gemacht
1) Die Frage nach der eigentlichen rechtlichen Natur der deutschen
kolonialen Erwerbungen, ob nämlich dieselben auf dem völkerrechtlichen
Erwerbstitel der Zession oder dem der Okkupation beruhen, sowie die
Streitfrage, ob durch die betr. Erwerbsakte ein staatsrechtliches oder
lediglich ein völkerrechtliches Verhältnis dieser Gebiete zum Deutschen
Reich begründet worden ist, wird im zweiten Teile dieser Schrift des
Näheren erörtert werden.