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gewalt entwickeln. So kann auf dem keiner fremden Staats-
gewalt unterworfenen Gebiete ein neuer selbständiger Staat
entstehen, der nun auf dem betreffenden Gebiete die volle
staatsrechtliche Gebietshoheit und Souveränetät besitzt.
So lange kein wirklicher Staat, wenigstens in seinen
begriffsnotwendigen Grundlagen, vorhanden ist, so lange
besitzt der private Erwerber des Landes auch keine Staats-
gewalt und keine eigentlichen Hoheitsrechte, welche nur als
Ausflüsse einer solchen juristisch denkbar sind. Was er
besitzen kann, was ihm vielleicht vertragsmässig abgetreten
worden ist, sind rein faktische Befugnisse, die sich dem Inhalt
nach, aber nicht nach ihrer rechtlichen Natur und Quelle,
mit bestimmten Hoheitsrechten decken können. Wenn in
gewissen Verträgen der Afrikanischen oder Deutsch-Ostafri-
kanischen Gesellschaft von einer Abtretung wirklicher Landes-
hoheitsrechte die Rede ist, so ist dies schon aus dem Grunde
ein unrichtiger, dem möglichen Vertragsinhalt nicht ent-
Sprechender Ausdruck, weil solche eigentliche Souveränetäts-
rechte den abtretenden Häuptlingen, deren staatsrechtliche
Stellung innerhalb ihres Volkes doch keineswegs der eines
europäischen Souveräns entspricht, selbst nicht zustanden,
also von ihnen auch nicht zediert werden konnten. Alles,
was ein solcher Vertrag) wirklich sagt und sagen kann, ist,
dass der betreffende Häuptling sich der politischen Herrschaft
des andern Vertragschliessenden unterwirft und demselben
) Uber die rechtliche Natur und Wirksamkeit derartiger Ver-
träge vergl. w. u. S. 111 fl.