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es erweckt, desto mehr wird es den Neid und die Begehr-
lichkeit seiner mächtigen älteren Brüder reizen. Die Gefahr
liegt nahe, dass ehe es als fertiges Staatswesen ins Leben
tritt und den Schutz des Völkerrechts erlangt, es die Beute
eines andern Staates wird, welcher es seiner Souveränetät
unterwirft. Um diesem Loos zu entgehen, werden die Er-
werber eines solchen Gebiets es oft vorziehen, dasselbe sofort
nach gemachtem Erwerb oder wenigstens, sobald sich die
Gefahr einer Annexion zeigt, freiwillig dem Schutz und der
Oberherrschaft eines bestehenden Staates zu unterstellen.
Sie erwerben dadurch den völkerrechtlichen Schutz und die
Vertretung dieses Staates gegenüber anderen Mächten. Zu
einer solchen freiwilligen Unterwerfung werden sich die
Erwerber eines Gebiets besonders gegenüber ihrem nationalen
Mutterstaat gern entschliessen, wenn sie sonst fürchten müssen,
unter die Herrschaft eines ihnen fremden Staates zu geraten.
Dies war z. B. bei den neueren deutschen Kolonialerwerbungen
der Fall, denen ohne Unterstellung unter den Schutz des
Deutschen Reiches die Annexion durch Grossbritannien ge-
droht hätte. Dagegen liegt bei Gebietserwerbungen durch
eine internationale Gesellschaft, wie die afrikanische, keine
Veranlassung zu freiwilliger Unterwerfkung unter die Sou-
veränetät eines bestimmten Staates vor. Hier konnte schon
wegen der gegenseitigen Eifersucht der Mächte leichter der
Versuch gemacht werden, sich politisch auf eigene Füsse zu
stellen und ein eigenes selbstündiges Staatswesen zu gründen.
Dies ist denn auch der afrikanischen Assoziation trotz mannig-