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dominium mundi darstellte. In späterer Zeit nahmen Ve-
nedig die Herrschaft über das adriatische, Genua über das
ligurische, Dänemark über das baltische Meer und die Nord-
see für sich in Anspruch. Von besonderer Wichtigkeit waren
indes bis in die neuere Zeit die durch entsprechende Macht
gestützten und lange genug durchgesetzten Prätentionen
Grossbritanniens einerseits, Spaniens und Portugals
auf der andern Seite. Während nämlich jenes schon seit dem
Ende des 10. Jahrhunderts die ausschliessliche Herrschaft
über die es umgebenden Meere, das sogenannte „Mare Angli-
canum circumquaque“, in Anspruch nahm, legten sich die
Spanier und Portugiesen das Eigentumsrecht an allen von
ihnen entdeckten Meeren bei und schlossen alle andern Na-
tionen von Schiffahrt und Handel auf denselben aus. Unter
dieser Ausschliessung hatten besonders die Holländer zu
leiden, die bald nach Entdeckung des neuen Seewegs durch
die Portugiesen einen rasch aufblühenden Handel nach Ost-
indien und den Molukken eröffnet batten.
Ein Niederländer war es denn auch, welcher die von
Engländern wie von Holländern oft mit den Waffen bestrittenen
Ansprüche der Spanier und Portugiesen mit der Feder an-
griff und ihre Unhaltbarkeit mit den Waffen der Wissenschaft
darzulegen unternahm. In seiner im Jahre 1609 erschienenen
Perühmten Streitschrift „Mare liberum“ griff der Vater des
modernen Völkerrechts, Hugo Groot, nicht nur die ein-
zelnen Rechtstitel an, auf welche die Portugiesen ihre Prä-
tentionen gründeten, sondern er suchte mit naturrechtlichen