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daß die Heiligkeit des Tempelbezirks entweiht oder verletzt werde, selbst nicht an
Feinden. Außerdem war den Slawen eine unersättliche Wildheit angeboren;
unstet umherschweifend beunruhigten sie die Nachbarländer zu Wasser und zu
Lande. Auf wieviele Arten sie die Christen zu töten pflegten, ist schwer zu er—
zählen, da sie den einen die Eingeweide aus dem Leibe rissen und sie um einen
Pfahl wickelten, die anderen aber ans Kreuz schlugen, um das Zeichen unserer
Erlösung zu verhöhnen. Sie verurteilten nämlich die größten Verbrecher zum
Kreuzestode. Die aber, die sie um des Lösegeldes willen in Gefangenschaft
halten, peinigen sie mit solchen Qualen und fesseln sie so eng und drückend, daß,
wer es nicht weiß, es kaum glauben kann.
2.
Karls des Großen Zug gegen die Wilzen.
789.
Quelle: Einhard, Jahrbücher. Zu 789 (Lateinisch)t).
Übersetzung: Otto Abel und Wattenbach, Einhards Jahrbücher. 2. Aufl. Leipzig 1885.
(Gesch. d. d. V. 2. Ausg. Bd. 17.) S. 86 und 87.
Es gibt in dausschland ein sklavenisches Volk, das am Strande des Meeres
wohnt und in seiner eigenen Sprache die Welataben, auf fränkisch aber die
Wilzen heißt. Dasselbe war von jeher feindselig gegen die Franken, verfolgte seine
Nachbarn, die den Franken unterworfen oder verbündet waren, mit Haß und
suchte sie unaufhörlich mit Krieg heim. Solchen Übermut glaubte der König nicht
länger dulden zu dürfen und beschloß, die Wilzen zu bekriegen. Er bot eine große
Heeresmacht auf und setzte bei Köln über den Rhein. Von da zog er durch
Sachsen, schlug, als er an die Elbe gekommen war, an ihrem Ufer ein Lager
und dann zwei Brücken über den Strom, von denen er die eine an beiden Enden
durch Verschanzungen und eine hineingelegte Besatzung schirmen ließ. Hierauf
setzte er über den Fluß, rückte mit seinem Heere in das Land der Wilzen ein
und ließ alles mit Feuer und Schwert verwüsten. Das Volk der Wilzen ver-
mochte, obwohl kriegerisch und auf seine große Zahl pochend, den Ungestüm des
königlichen Heeres nicht lange auszuhalten, und sobald man vor die Stadt des
Dragawit) kam, der von den übrigen Wilzenfürsten durch den Adel seines Ge-
schlechtes, wie durch die Würde des Alters weit hervorragte, erschien dieser mit
allen seinen Leuten vor dem König, stellte die verlangten Geiseln und versprach
eidlich, dem König und den Franken treu und gehorsam zu sein. Seinem Beispiel
folgten alle übrigen Fürsten und Häuptlinge der Slawen und unterwarfen sich der
Herrschaft des Königs. Nachdem er nun dieses Volk unterjocht und die Geiseln,
die er gefordert, in Empfang genommen hatte, zog er auf dem nämlichen Wege,
den er gekommen war, wieder an die Elbe, führte sein Heer über die Brücke
zurück und kehrte dann, nachdem er noch die sächsischen Angelegenheiten, so gut es
die Zeit erlaubte, in Ordnung gebracht hatte, ins Frankenland heim und feierte in
der Stadt Worms Weihnachten und Ostern.
24. Heinrich I. sichert sein Land. (Teil I. Nr. 35.)
2b. Ottos I. Sieg über die Wenden. (Teil I. Nr. 41.)
1) Über diese Jahrbücher vgl. Teil I. S. 49. Anm. 1.
:) Wahrscheinlich an der Havel, nördlich von Brandenburg.