Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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ihre Minister verlassen und sich von denen leiten lassen, welche Einfluß auf ihren 
Geist gewonnen haben. 
Die Herrscher der ersten Art sind wie die Seelen ihrer Staaten: die Bürde 
ihrer Regierung ruht auf ihnen allein wie die Welt auf dem Rücken des Atlas; 
sie leiten die inneren wie äußeren Angelegenheiten; und sie erfüllen zugleich das 
Amt der obersten Reichsbehörde, des Generals der Heere, des Großschatzmeisters 
Ihre Minister sind eigentlich nur Werkzeuge in der Hand eines weisen und ge- 
schickten Meisters. 
Die Herrscher der zweiten Art sind durch einen Mangel der Begabung oder 
durch eine natürliche Indolenz gewissermaßen in eine lethargische Gleichgültigkeit 
versetzt. . . In diesem Falle ist der Herrscher nur eine Scheinfigur, aber eine 
notwendige Scheinfigur, denn er repräsentiert den Staat; alles was man wünschen 
kann, ist, daß er eine glückliche Wahl treffe 
Es gibt Interessenkriege, welche die Könige zu führen genötigt sind, um sich 
selbst die Rechte aufrecht zu erhalten, die man ihnen streitig machen will; sie 
prozessieren, die Waffen in der Hand, und die Schlachten entscheiden über die 
Gültigkeit ihrer Rechte. 
Es gibt Vorsichtskriege, welche die Fürsten aus Klugheit unternehmen. Es 
sind Angriffskriege, aber sie sind nicht minder gerecht. Wenn die übermäßige Größe 
einer Macht über alle Grenzen will und das Universum zu verschlingen droht, 
empfiehlt es sich, ihr einen Damm zu setzen, den wilden Lauf eines Stromes auf- 
zuhalten, solange man noch Herr darüber ist. Man sieht Wolken, die sich an- 
sammeln, ein Gewitter, das sich bildet, die Blitze, die es ankündigen; und wenn 
der Fürst, den solche Gefahr bedroht, nicht allein den Sturm beschwören kann, 
wird er, wenn er klug ist, sich mit allen denen verbinden, welche die gleiche 
drohende Lage dieselben Interessen haben läbt 
Es ist also besser, daß ein Fürst sich zu einem Angriffskriege 
entschließt, wenn er noch Herr darüber ist, zwischen dem Olzweige 
und dem Lorbeerzweige zu wählen, als daß er bis zu der ver- 
zweifelten Zeit wartet, wo eine Kriegserklärung seine Kdnecht- 
schaft und seinen Untergang nur für einige Augenblicke hinaus- 
schieben kann. Es ist besser zuvorzukommen, als sich zuvorkommen 
zu lassen 
52. 
Gründe Friedrichs für seinen Einfall in Schlesien. 
1740. 
Quelle: Friedrichs des Großen Rechtfertigungsschreiben beim Ein- 
fall in Schlesien 1740). 
Übersetzung aus dem Abdruck des französischen Textes bei Koser, Politische Korrespondenz Friedrichs des 
Großen. Beriin 1879 ff. Bd. 1. S. 159—160. 
Die Rechte des Königs auf die meisten Herzogtümer und Fürstentümer 
Schlesiens sind unbestreitbar. 
Die Besitzer dieses Landes haben darüber selbst so sehr übereingestimmt, daß 
sie mit dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm einen Vertrag schlossen, durch welchen 
1) Dieser und alle folgenden Briefe Friedrichs sind in französischer Sprache geschrieben.
	        
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