Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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sind schwer verwundet. Bertickow ist gefallen. An Toten und Verwundeten be— 
trägt unser Verlust 1200 Mann. Ich habe mein Wort gut eingelöst.!). Alle 
anderen und meine Brüder haben wie Löwen für das Vaterland gekämpft. 
Niemals haben die alten Römer etwas Glänzenderes geleistet. Leben Sie wohl! 
Gebe der Himmel, daß ich Grund habe, ebenso zufrieden mit der Staatskunst zu 
sein wie mit den Waffen. Ich bin Ihr treuer Freund 
Friedrich. 
57. 
Ein preußischer Rekrut zur Zeit Friedrichs des Großen. 
Quelle: „Das Leben und die Abentheuer des Armen Mannes im 
Tockenburg"?2). Meyer u. Jessen, Berlin 1910. S. 112—117. 
Übertragung: G. Freytag a. a. O. Bd. 4. S. 203—207. 
In Berlin fragte ich vergebens nach meinem Herrn; ich wurde in die Krausen- 
straße in ein Quartier gewiesen. „Da bleib er,“ sagte man mir, „bis auf fernere 
Ordre.“ Ich dachte: Was soll das? Ist ja nicht einmal ein Wirtshaus. Wie ich so 
staunte, kam ein Soldat, Christian Zittemann, und nahm mich mit auf seine 
Stube, wo sich schon zwei andere Soldaten befanden. Nun ging's an ein Wundern 
und Ausfragen: wer ich sei, woher ich komme u. dgl. Noch konnte ich ihre Sprache 
nicht recht verstehen. Ich antwortete kurz, ich komme aus der Schweiz und sei 
Sr. Exzellenz, des Herrn Leutnant Marconi, Lakai; die Sergeanten hätten mich 
hierher gewiesen; ich möchte aber lieber wissen, ob mein Herr schon in Berlin 
angekommen sei, und wo er wohne. Da fingen sie alle ein Gelächter an, dazu 
ich hätte weinen mögen, und keiner wollte das Geringste von einer solchen Ex- 
zellenz wissen. Mittlerweile trug man eine stockdicke Erbsenkost auf. Ich aß mit 
wenig Appetit davon. 
Wir waren kaum fertig, als ein alter hagerer Kerl ins Zimmer trat, dem ich 
bald ansah, daß er mehr als Gemeiner sein müsse. Es war ein Feldwebel. Er 
hatte eine Soldatenmontur auf dem Arme, die er über den Tisch ausbreitete; 
dann legte er ein Sechsgroschenstück dazu und sagte: „Das ist für dich, mein 
Sohn. Gleich werde ich dir noch ein Kommißbrot bringen.“ „Was? für mich?“ 
versetzte ich, „von wem? wozu?“ „Ei, deine Montierung und Traktament, 
Bursche! Was gibt's da zu fragen? Bist ja ein Rekrut.“ „Was? Rekrut?“ er- 
widerte ich, „behüte Gott; das ist mir nie in den Sinn gekommen. Marconis 
Bedienter bin ich; so hab ich gedungen und anders nicht.“ — „Und ich sage dir, 
du bist Soldat. Ich steh dir dafür. Da hilft jetzt alles nichts.“ Ich: „Ach, wenn 
nur mein Herr Marconi da wäre.“ Er: „Den wirst du sobald nicht zu sehen be- 
19) Friedrich hatte besorgten Warnungen seines Ministers gegenüber, das ganze Ge- 
schick seines Staates nicht auf eine Karte zu setzen, am 27. 4. 45 geantwortet: Wenn der 
Feind etwas unternimmt, werden wir ihn sicher besiegen oder uns alle für die Rettung 
des Vaterlandes und den Ruhm Meines Hauses niedermetzeln lassen (Politische Korrespon- 
denz. Bd. 4. S. 368). 
*:) Der „Mann von Toggenburg“ ist der Schweizer Ulrich Bräcker, geb. am 22. Dez. 
1735 im Toggenburger Tal in der Schweiz, fiel 1756 einem preußischen Werbeoffizier in 
die Hände, der ihn zunächst als Bedienten annahm. Am 8. April kam er nach Berlin 
und dachte, er käme als Offiziersbedienter dorthin, aber er wurde trotz Widerstrebens in 
die Montur gesteckt. 
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