Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Die Einnahme der Stadt Brandenburg durch Albrecht den Bären. 
1157. 
Quelle: Heinrich von Antwerpen, Bericht über die Einnahme der Stadt 
Brandenburg (Lateinisch)t). 
Übersetzung aus dem Abdruck des lateinischen Textes bei Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 
Braunschweig 1875. Bd. 4. S. 504—505. 
In schier endlosem Kreislauf der Jahre waren seit der Gründung der Stadt 
Brandenburg die Zeiten der Heidenfürsten unter dem Heidentum elendig dahin- 
geeilt; da erlangte endlich unter Gottes Beistand Heinrich, im Slawischen Pribis- 
laus genannt, ein Verehrer des christlichen Namens, durch gesetzmäßige Nachfolge 
in seinem väterlichen Erbe die Herrschaft über diese Stadt und das ganze um- 
liegende Land. In der Stadt wurde ein abscheuliches, dreiköpfiges Götzenbild?) 
von den verblendeten Menschen als Gott verehrt. Daher verabscheute Fürst 
Heinrich sein Volk, das cinem so überaus widerwärtigen Götzendienst ergeben war, 
und er bemühte sich auf jede Weise, es zu Gott zu bekehren. Da er keinen Erben 
hatte, setzte er den Markgrafen Albrecht zum Nachfolger in seinem Fürstentum ein 
und gab dessen Sohn Otto, als er ihn aus der heiligen Taufe hob, die ganze Zauche, 
das ist das Land südlich von der Havel, als Patengeschenk. Im Laufe der Zeit 
verband er sich in treuer Freundschaft mit vielen deutschen Fürsten; er unter- 
drückte den Götzendienst und rottete die Räuber so ziemlich aus. Da er so Ruhe 
hatte ringsumher, diente er, sich nach Frieden sehnend, mit seiner Gattin Petrussa 
in aller Ergebenheit Gott.... Als er nun, durch das Alter gebeugt, schwach zu 
werden anfing, erinnerte er seine Frau gewissenhaft daran, daß er dem Mark- 
grafen Albrecht die Stadt Brandenburg für den Fall seines Todes versprochen 
habe. Lange Zeit lag er dann, von Fieber ergriffen, schwerkrank danieder. Er 
entschlief, wie wir hoffen, in festem Vertrauen auf den Herrns). Seine Witwe 
blieb seines letzten Willen in Treue eingedenk. Sie wußte sehr wohl, daß die Be- 
wohner des Landes noch dem Götzendienst zuneigten, und sie wollte lieber das 
Land den Deutschen übergeben, als noch weiterhin die unheilige Verehrung der 
Götzenbilder dulden. In wohlüberlegter Absicht ließ sie die Leiche ihres Gatten, 
der nun schon vor drei Tagen gestorben war, ohne daß es jemand außer ihren 
vertrautesten Anhängern wußte, unbeerdigt stehen und hütete sie sorgfältig. Zu- 
gleich zeigte sie dem Markgrafen Albrecht, den er zu seinem Erben eingesetzt 
hatte, alles an, was geschehen war, und rief ihn herbei, damit er die Stadt 
übernähme. Dieser kam, der Botschaft entsprechend, mit einer starken Schar Be- 
waffneter eiligst herbei, nahm die Stadt Brandenburg in Besitz, wie wenn sie 
ihm durch gewöhnliche Erbfolge zugefallen wäre, und veranstaltete unter Be- 
teiligung vieler Edlen dem Verstorbenen ein ehrenvolles Leichenbegängnis von 
fürstlicher Pracht. Als sich Markgraf Albrecht so in der Lage sah, nach eigenem 
Ermessen über sein Erbe verfügen zu können, vertrieb er die Heiden, die als 
1) Der Verfasser war ein jüngerer Zeitgenosse Albrechts des Bären und um 1200 
Prior in Brandenburg. Sein wertvoller Bericht über die Einnahme Brandenburgs ist 
das älteste erhaltene Stück brandenburgischer Geschichtschreibung. 
1) Der dreiköpfige Gott Triglaff galt als Gott des Himmels, der Erde und der Unter- 
welt. 
2) Pribislaus-Heinrich starb 1150. 
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