Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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60. 
Friedrichs Ansprache an seine höheren Offiziere vor der Schlacht 
bei Leuthen. 
17571). 
Quelle: Aus dem Gedächtnis niedergeschrieben von einem Ohrenzeugen, 
General von Rochow. 
Fundort: G. Mendelssohn-Bartholdy a. a. O. S. 321—323. 
Ihnen, meine Herren, ist es bekannt, daß es dem Prinzen Karl von 
Lothringen gelungen ist, Schweidnitz zu erobern ), den Herzog von Bevern 
zu schlagen 3) und sich zum Meister von Breslau zu machen, während ich ge- 
zwungen war, den Fortschritten der Franzosen und Reichsvölker Einhalt zu tun. 
Ein Teil von Schlesien, meine Hauptstadt und alle meine darin befindlich ge- 
wesenen Kriegsbedürfnisse sind dadurch verloren gegangen, und meine Wider- 
wärtigkeiten würden aufs höchste gestiegen sein, setzte ich nicht ein unbedingtes 
Vertrauen in Ihren Mut, Ihre Standhaftigkeit und Ihre Vaterlandsliebe, die Sie 
bei so vielen Gelegenheiten mir bewiesen haben. Ich erkenne diese dem Vater- 
lande und mir geleisteten Dienste mit der innigsten Rührung meines Herzens. 
Es ist fast keiner unter Ihnen, der sich nicht durch eine große, ehrenvolle Handlung 
ausgezeichnet hätte, und ich schmeichle mir daher, Sie werden, wenn es gilt, 
nichts an dem mangeln lassen, was der Staat von Ihrer Tapferkeit zu fordern be- 
rechtigt ist. Dieser Zeitpunkt rückt heran; ich würde glauben, nichts getan zu 
haben, ließe ich die Osterreicher im Besitze von Schlesien. Lassen Sie es sich also 
gesagt sein: ich werde gegen alle Regeln der Kunst die beinahe dreimal stärkere 
Armee des Prinzen Karl angreifen, wo ich sie finde. Ich darf nicht fragen nach 
der Anzahl der Feinde noch nach der Schwierigkeit ihrer Stellung; alles dieses, 
hoffe ich, wird die Herzhaftigkeit meiner Truppen bei richtiger Befolgung meiner 
Anordnungen zu überwinden suchen. Ich muß diesen Schritt wagen, oder es ist 
alles verloren: wir müssen den Feind schlagen oder uns vor seinen Batterien be- 
graben lassen. So denke ich, so werde ich handeln. Machen Sie diesen meinen 
Entschluß allen Offizieren der Armee bekannt, bereiten Sie den gemeinen Mann 
auf die Ereignisse vor, die bald folgen werden, und kündigen Sie ihm an, daß 
ich mich für berechtigt halte, unbedingten Gehorsam von ihm zu fordern. Wenn 
Sie übrigens bedenken, daß Sie Preußen sind, so werden Sie gewiß dieses Vor- 
zuges sich nicht unwürdig machen. Ist aber einer oder der andere unter Ihnen, 
der sich fürchtet, alle Gefahren mit mir zu teilen, der kann noch heute seinen 
Abschied erhalten, ohne von mir den geringsten Vorwurf zu leiden. 
Hier hielt Friedrich inne, wie wenn er Zeit zum Uberlegen und zu freiwilligem 
Ausscheiden gewähren wollte. Die Zuhörer beobachteten eine heilige Stille, während 
welcher bei nicht wenigen Tränen ehrfurchtsvoller Rührung und begeisterter Vaterlands- 
liebe sichtbar wurden; nur der tapfere Major Billerbeck konnte sich in Beziehung auf den 
letzten Satz des königlichen Redners nicht enthalten, in die Worte auszubrechen: „Ja, 
das müßte eine infame Memme sein! Nun wäre es Zeit!“ — Friedrich fuhr mit freund- 
lichem Lächeln also fort: 
Schon im voraus hielt ich mich überzeugt, daß keiner von Ihnen mich ver- 
lassen würde, ich rechne also ganz auf Ihre treue Hilfe und auf den gewissen 
1) Gehalten im Hauptquartier zu Parchwitz am 3. Dezember 1757. 
7. 
1) 11. November 175 
2) 22. November 1757.
	        
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