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Sieg. Sollte ich bleiben und Sie für Ihre mir geleisteten Dienste nicht belohnen
können, so muß es das Vaterland tun. Gehen Sie nun in das Lager und wieder-
holen Sie Ihren Regimentern, was Sie von mir gehört haben!
So lange hatte Friedrich in dem Tone der Überzeugung geredet, um den Enthusias-
mus seiner Zuhörer anzufachen; jetzt aber, da er sich von der unwiderstehlichen Gewalt
seiner Worte überzeugt hielt, sprach er wieder als König und kündigte die Strafen an, die
er über die verhängen würde, die ihre Schuldigkeit versäumen würden:
Das Regiment Kavallerie, das nicht sofort, wenn es befohlen wird, sich un-
aufhaltsam in den Feind stürzt, lasse ich gleich nach der Schlacht absitzen und
mache es zu einem Garnisonregimente; das Bataillon Infanterie, das, es treffe,
worauf es wolle, nur zu stutzen anfängt, verliert die Fahnen und die Säbel, und
ich lasse ihm die Borten von der Montierung abschneiden. Nun leben Sie wohl,
meine Herren! In kurzem haben wir den Feind geschlagen oder wir sehen uns
nie wieder.
61.
Die Schlacht bei Leuthen.
5. Dezember 1757.
Quelle: J. W. von Archenholtzu), Geschichte des Siebenjährigen Krieges
in Deutschland. Berlin 1793. 1. Teil. S. 139—141.
Es war am 5. Dezember, als bei dem Dorfe Leuthen eine Schlacht, die
größte des Jahrhunderts, geliefert wurde. Alles war bei beiden Heeren ver-
schieden. Die von Friedrich angeführten Preußen waren 33000, die Osterreicher
unter Karl von Lothringen 90000 Mann stark; diese voll Vertrauen auf ihre ge-
waltige Macht, auf ihr kolossales Bündnis und den Besitz des schon halb er-
oberten Schlesiens; jene aber voll Zuversicht auf ihre taktischen Künste und auf
ihren großen Anführer. Bei der einen Armee herrschte Überfluß, bei der anderen
war Mangel an vielen Bedürfnissen. Die eine hatte lange Ruhe genossen, die
andere hingegen war von angestrengten Märschen in der rauhen Witterung ab-
gemattet. Die Osterreicher waren an diesem denkwürdigen Tage nur mit ge-
wöhnlichem Kriegsmut ausgerüstet, die Preußen bis zur Begeisterung gestimmt.
So trafen beide Heere aufeinander in einer meilenlangen Ebene, die Friedrich
nicht besser hätte wünschen können. Die Osterreicher, die jetzt zum erstenmal das
freie Feld zu einer Schlacht gewählt hatten, standen in unübersehbaren, un-
geheueren Linien und konnten kaum ihren Sinnen trauen, als sie die kleine Armee
der Preußen zum Angriff anrücken sahen. Nun aber zeigte sich das große Genie
Friedrichs. Er wählte die schiefe Schlachtordnung, eine Stellung, die zu den
Meisterwerken der Kriegskunst gehört und auf dem Grundsatz beruht, einen großen
Teil der feindlichen Truppen in Untätigkeit zu erhalten, sie in Verlegenheit zu
setzen, mehr Soldaten auf den Hauptpunkt des Angriffes zu bringen als der
Feind und dadurch gleichsam den Sieg zu erzwingen. Friedrich machte verstellte
Bewegungen gegen den rechten Flügel des Feindes, während seine Absicht auf den
linken gerichtet war. Dieser so gestellte Soldatenkörper nimmt verhältnismäßig nur
einen sehr geringen Raum ein und zeigt in der Ferne wegen der vermischten
1) Die Kriegsgeschichte dieses Zeitgenossen und Kriegsteilnehmers (f 1812) bietet eine
noch heute in breiteren Schichten unseres Volkes gern gelesene, anschauliche Darstellung.
(Auch bei Reclam erschienen.)