Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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Verbündeter sein; fügen Sie hinzu: unsere Arme, unsere Beine, Wachsamkeit, 
Tapferkeit und Ausdauer . 
14. 
An den englischen Minister Pitt. 
Kunzendorf, 3. Juli 1761. 
. . . Zwei Triebfedern bestimmen mein Handeln: die eine ist das 
Ehrgefühl und die andere das Wohl des Staates, den der Himmel mir 
zum Regieren gegeben hat. Sie schreiben mir zwei Gebote vor: einmal, nie etwas 
zu tun, worüber ich zu erröten hätte, wenn ich meinem Volke Rede stehen müßte, 
und sodann: für meines Vaterlandes Heil und Ruhm den letzten Tropfen meines 
Blutes hinzugeben. Mit solchen Grundsätzen weicht man seinen Feinden nie; mit 
solchen Grundsätzen hielt Rom sich aufrecht gegen Hannibal nach der Schlacht von 
Kannä; mit solchen Grundsätzen behauptete sich Eure große Königin Elisabeth gegen 
Philipp II. und die unüberwindliche Flotte; mit solchen Grundsätzen hat Gustav 
Wasa Schweden aufgerichtet und den Tyrannen Christian aus dem Lande ge— 
jagt, und mit gleicher Seelengröße, Tapferkeit und Ausdauer haben die Prinzen 
von Oranien die Republik der Niederlande gegründet. Das sind die Vorbilder, 
denen ich zu folgen entschlossen bin. Sie selbst haben Gefühl für das Große und 
Erhabene; verwerfen Sie meine Wahl, wenn Sie können 
16. 
An den Marquis d'Argens. 
Breslau, 18. Januar 1762. 
Jnch mache eine Schule der Geduld durch, eine harte, lange, grausame, ja 
sogar barbarische. Ich habe mich meinem Schicksal nicht entziehen können; alles, 
was menschliche Voraussicht angeben konnte, ist angewendet worden, und nichts ist 
geglückt. Wenn das Glück fortfährt, sich so erbarmungslos von mir abzuwenden, 
werde ich ohne Zweifel unterliegen; es allein kann mich noch aus der Lage 
ziehen, in der ich mich befinde. Ich rette mich daraus, indem ich das Weltall 
im Großen betrachte wie von einem entfernten Planeten aus; dann erscheinen 
mir alle Gegenstände unendlich klein, und ich bemitleide meine Feinde, daß sie 
sich so viel Aufregung machen wegen einer so geringen Sache. Was würde aus 
uns ohne die Philosophie, ohne Nachdenken, ohne Lossagung von der Welt und 
ohne jene vernünftige Verachtung der frivolen, vorübergehenden und flüchtigen 
Dinge, welche deren genauere Erkenntnis uns einflößt, während Habsüchtige und 
Ehrgeizige großen Wert auf sie legen, weil sie sie für feste und dauerhafte Güter 
halten. Das ist die Frucht, die man aus der Schule des Unglücks gewinnt: „Das 
nenne ich vernünftig werden durch Stockschläge,“ werden Sie sagen; allein wenn 
man nur weise wird, was liegt daran, wie? 
Ich lese viel; ich verschlinge meine Bücher, das verschafft mir heilsame Zer- 
streuung. Wenn ich sie nicht hätte, ich glaube, die Hypochondrie hätte mich ins 
Irrenhaus geführt. Mit einem Wort, lieber Marquis, wir leben in verdrießlichen 
Zeiten und in verzweifelten Verhältnissen; ich besitze alle Eigenschaften eines 
Helden der Tragödie, immer in Gefahr, immer bereit zu sterben. Es ist zu hoffen, 
daß die Peripetie kommt, und wenn nur das Ende des Stückes glücklich ist, wird 
man gern das Vergangene vergessen
	        
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