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andern, als vom Schlosse in die Oper wöchentlich zweimal und während des
ganzen Aufenthaltes ein- oder zweimal zum Prinzen Heinrich und zu der Prin—
zessin Amalie, seiner Schwester. Dann ruhten die Läufer wieder ein Jahr lang.
Hinter ihnen kam dann der achtspännige königliche Wagen mit acht Fenstern rund
herum, die Pferde mit altmodischen Geschirren und Federbüschen auf den Köpfen.
Kutscher und Vorreiter in der damaligen königlichen Livree, blau, Kragen, Auf-
schläge, Taschen und alle Nähte mit einem roten Tuchstreifen besetzt, dieser aber
wieder mit zwei schmalen goldenen Tressen eingefaßt, was sehr gut aussah. In
den vier Nebentritten der Kutsche standen vier Pagen, rot mit Gold, seidenen
Strümpfen und Federhüten, — hinten der Bedientensitz leer, — und hinter
diesem, unten, wo man zu dem Bediententritt aufsteigt, stand ein Stallknecht. —
So bewegte sich der Zug langsam heran und fuhr in das Portal ein. Wir sahen
von der Treppe hinunter. Der Prinz Heinrich stand an der Wagentür, die Pagen
öffneten sie, der König stieg aus, begrüßte den Bruder, nahm ihn bei der Hand,
stieg die Treppe herauf, und so gingen sie nahe bei uns vorbei, in die Zimmer
hinein, wo jetzt die Studenten umherstampfen.
Das dritte Mal sah ich ihn in demselben Jahre von der Revue (21. Mai)
zurückkommen. Mein Hofmeister war deshalb mit mir nach dem Halleschen Tor
gegangen, weil man schon wußte, daß er an dem Tage allemal seine Schwester,
die Prinzessin Amalie, besuchte. Er kam geritten auf einem großen weißen Pferde,
ohne Zweifel der alte Condé, der nachher noch 20 Jahre lang das Gnadenbrot
auf der Tierarzneischule bekam; denn er hat seit dem bayerischen Erbfolgekrieg
beinahe kein anderes Pferd mehr geritten. Sein Anzug war derselbe wie früher
auf der Reise, nur daß der Hut ein wenig besser war, ordentlich aufgeschlagen und
mit der Spitze nach vorn, echt militärisch aufgesetzt war. Hinter ihm waren eine
Menge Generäle, dann die Adjutanten, endlich die Reitknechte. Das ganze Rund-
teil (jetzt Belle-Alliance-Platz) und die Wilhelmstraße waren gedrückt voll Menschen,
alle Fenster voll, alle Häupter entblößt, überall das tiefste Schweigen und auf
allen Gesichtern ein Ausdruck von Ehrfurcht und Vertrauen, wie zu dem gerechten
Lenker aller Schicksale. Der König ritt ganz allein vorn und grüßte, indem er fort-
während den Hut abnahm. Er beobachtete dabei eine sehr merkwürdige Stufen-
folge, je nachdem die aus den Fenstern sich verneigenden Zuschauer es zu ver-
dienen schienen. Bald lüftete er den Hut nur ein wenig, bald nahm er ihn vom
Haupte und hielt ihn eine Zeitlang neben diesem, bald senkte er ihn bis zur Höhe
des Ellenbogens herab. Aber diese Bewegung dauerte fortwährend, und so wie
er sich bedeckt hatte, sah er schon wieder andere Leute und nahm den Hut wieder
ab. Er hat ihn vom Halleschen Tor bis zur Kochstraße gewiß zweihundertmal ab-
genommen.
Durch dieses ehrfuchtsvolle Schweigen tönte nur der Hufschlag der Pferde
und das Geschrei der Berlinischen Gassenjungen, die vor ihm hertanzten, jauchzten,
die Hüte in die Luft warfen, oder neben ihm hersprangen und ihm den Staub
von den Stiefeln abwischten. Ich und mein Hofmeister hatten soviel Platz ge-
wonnen, daß wir mit den Gassenjungen, den Hut in der Hand, neben ihm her-
laufen konnten. Bei dem Palaste der Prinzessin Amalie in der Wilhelmstraße an-
gekommen, war die Menge noch dichter, denn sie erwartete den König da; der
Vorhof war gedrängt voll, doch in der Mitte, ohne Anwesenheit irgend einer
Polizei, geräumiger Platz für ihn und seine Begleiter. Er lenkte in den Hof
hinein, die Flügeltüren gingen auf, und die alte lahme Prinzessin Amalie, auf