Full text: Wilhelm Heinzes Quellen-Lesebuch zur vaterländischen Geschichte für Lehrerbildungsanstalten und höhere Schulen. Zweiter Teil. Deutsche, vornehmlich brandenburgisch-preußische Geschichte bis 1815. (2)

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nung ist ein geheiligtes Recht, welches die Grundlage aller übrigen bildet. Dieses 
Recht entspringt jedoch keineswegs aus der Natur, es beruht folglich auf Verträgen 
Da kein Mensch eine natürliche Gewalt über seinesgleichen hat, und da die Stärke 
kein Recht gewährt, so bleiben also die Verträge als die einzige Grundlage jeder 
rechtmäßigen Gewalt unter den Menschen übrig 
Man wird sagen, daß der Gewaltherrscher seinen Untertanen die bürgerliche 
Ruhe sichere; es mag sein, aber was gewinnen sie dabei, wenn die Kriege, in die 
sein Ehrgeiz sie verwickelt, wenn seine unersättliche Habgier, wenn die Bedrückungen 
seiner Minister sie mehr belasten, als ihre Zwistigkeiten es vermöchten? Was 
gewinnen sie dabei, wenn diese Ruhe selbst ein Glied in der langen Kette ihres 
Elends ist? Im Kerker lebt man auch ruhig; genügt das, um sich darin wohl zu 
fühlen? . Auf seine Freiheit verzichten, heißt auf seine Menschheit, die Men- 
schenrechte, ja selbst auf seine Pflichten verzichten. Es ist ein nichtiger und 
mit sich selbst in Widerspruch stehender Vertrag, auf der einen Seite eine un- 
umschränkte Macht und auf der anderen einen schrankenlosen Gehorsam fest- 
zusetzzen 
Während sich jeder allen übergibt, übergibt er sich damit niemandem, und da 
man über jeden Gesellschaftsgenossen das nämliche Recht erwirbt, das man ihm 
über sich gewährt, so gewinnt man für alles, was man verliert, Ersatz und mehr 
Kraft, das zu bewahren, was man hat. 
Scheidet man also vom Gesellschaftsvertrage alles aus, was nicht zu seinem 
Wesen gehört, so wird man sich überzeugen, daß er sich in folgenden Worten 
zusammenfassen läßt: „Jeder von uns stellt gemeinschaftlich seine Person und seine 
ganze Kraft unter die oberste Leitung des allgemeinen Willens, und wir nehmen 
jedes Mitglied als untrennbaren Teil des Ganzen auf.“ 
An die Stelle der einzelnen Person jedes Vertragabschließers setzt solcher 
Gesellschaftsvertrag sofort einen geistigen Gesamtkörper, dessen Mitglieder aus 
sämtlichen Stimmabgebenden bestehen, und der durch eben diesen Akt seine Ein- 
heit, sein gemeinsames Ich, sein Leben und seinen Willen erhält. Diese öffentliche 
Person, welche sich auf solche Weise aus der Vereinigung aller übrigen bildet, 
wurde ehemals Stadt genannt und heißt jetzt Republik oder Staatskörper. Seine 
Mitglieder nennen ihn im leidenden Zustande Staat, im tätigen Zustande Ober- 
haupt, im Vergleiche mit anderen seiner Art Macht. Die Gesellschaftsgenossen 
führen als Gesamtheit den Namen Volk und nennen sich einzeln als Teilhaber 
der höchsten Gewalt Staatsbürger und im Hinblick auf den Gehorsam, den sie 
den Staatsgesetzen schuldig sind, Untertanen. Aber diese Ausdrücke gehen oft 
ineinander über und werden miteinander verwechselt; es genügt, sie unterscheiden 
zu können, wenn sie in ihrer eigentlichen Bedeutung gebraucht werden. (#us 
dem 1. Buch.) 
Von welcher Seite aus man auch auf das Prinzip zurückgehen möge, stets 
gelangt man zu demselben Schlusse, nämlich, daß der Gesellschaftsvertrag unter den 
Staatsbürgern eine derartige Gleichheit herstellt, daß sich alle auf dieselben Be- 
dingungen hin verpflichten und alle dieselben Rechte genießen müssen . . (. Buch, 
1. Kap.) 
Der Abfasser der Gesetze hat demnach keine gesetzgebende Berechtigung oder 
sollte sie doch nicht haben, und selbst wenn es wollte, kann das Volk auf dieses 
unmittelbare Recht nicht verzichten, weil nach dem Urvertrage nur der allgemeine 
Wille die einzelnen verpflichtet und es sich erst nach der freien Abstimmung des
	        
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